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Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)

Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)

Titel: Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl
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wir den Fußweg?«
    Sie war schon auf dem Weg den Abhang hinunter, der zum Spazierpfad am Fluss entlangführte. Er folgte ihr. Der Regen machte den Hang glitschig. Unten auf dem Pfad war es dunkel. Das Geräusch fließenden Wassers konnte nur mit Mühe den Lärm von Gas gebenden Autos und das scharfe Pfeifen von Reifen auf nassem Asphalt übertönen. Ihr Gesicht lag im Schatten, nur das Licht einer Straßenlaterne gab einen Widerschein in ihren Augen. Sie sagte: »Ich habe kein spezielles Ziel. Und Sie ja wohl auch nicht, wenn Sie einfach so mit mir gehen?«
    »Richtig.«
    Sie blieben schweigend stehen, bis sie fragte: »Sind Sie betrunken?«
    »Sie?«
    Ein weißes Schimmern von Zähnen, als sie lächelte.
    »Worüber wollen wir reden?«
    »Über etwas Neutrales. Sie sind Polizist, ich bin Psychologin, wir sollten neutrale Themen wählen.«
    »Gibt es so was?«
    »Wörter werden neutral, wenn man sie auseinanderreißt. Wir können über Buchstaben reden.«
    Es war immer noch so dunkel, dass er kaum mehr als ihre Silhouette erkennen konnte.
    Sie sagte: »A ist ein blauer Buchstabe, E ist ein roter Buchstabe, F ist braun – O ist –?« Sie verstummte und wartete auf seine Reaktion.
    »O?«
    »Welche Farbe hat O?«
    Er überlegte: »Gelb«, sagte er.
    »I«, sagte sie.
    »Rot«, sagte er.
    »Nein«, sagte sie. »I ist eindeutig gelb.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, es ist rot.«
    »Da sehen Sie es, sogar eine Diskussion über neutrale Themen ergibt Sinn.«
    »Dinge, die zu Konflikten führen, ergeben nicht notwendigerweise einen Sinn.«
    »Uneinigkeit, Ungleichgewicht sind bessere Worte als Konflikt.« Ein Lachen schwang in ihrer Stimme mit. Plötzlich spürte er ihre Finger um sein Handgelenk. Er spielte das Spiel mit, flocht seine Finger in ihre.
    Jetzt, da die Stille zwischen ihnen schwerer und etwas aufgeladen war, entdeckte er ein neues Geräusch, das sich mit dem Dröhnen des Verkehrs und dem Rauschen des Flusses mischte: schwache Flötentöne in gedämpften Harmonien. Hand in Hand gingen sie den Klängen entgegen und entdeckten eine Installation, die auf dem ruhigen Wasser schwamm. Die Straßenlaterne oberhalb des Hangs warf ein blasses Licht auf ein Schild zwischen den Büschen. Darauf stand, dass die Begegnung der Installation mit dem Wasser die Harmonien erzeugte.
    »Ein Ding, das den Fluss zum Komponisten macht«, sagte er. »Nicht schlecht.«
    Sie sagte nichts.
    Er war inzwischen ziemlich durchnässt. Ein Tropfen lief an seiner Schläfe entlang abwärts zum Kinn. Sie auch, dachte er und zog sie an sich. Es war, als mache sie einen Tanzschritt.
    Sie wohnte im Erdgeschoss. Als sie im Bad verschwand, wand er sich aus seiner Jacke. Sie war klatschnass. Seine Hose war ebenso nass und klebte an den Schenkeln. Er mochte sie nicht ausziehen. Musste leicht grinsen bei dem Gedanken. Die Wände ihrer Wohnung waren weiß gestrichen. Eine imponierende B&O-Anlage thronte vor einem grauen Sofa – lang, flach und vierkantig. Das Zimmer war fast peinlich aufgeräumt.
    Als sie aus dem Bad kam, machte sie das Licht aus. Sie hatte einen Minirock angezogen, der so kurz und eng anliegend war, als wäre er ihr auf die Hüften gemalt. Den Oberkörper hatte sie in eine nahezu durchsichtige Bluse gezwängt.
    Er legte einen Arm um ihre Hüfte.
    Sie griff seine Hand und schob sie mit entschiedener Miene fort.
    So tötet man eine Stimmung ab, dachte er und blickte in zwei Augen, die in dem gedämpften Licht funkelten.
    »Du denkst wie ein Tier«, zischte sie mit einer Stimme, die heiser war vor Verachtung.
    Und du kannst einen ungewöhnlich gut an der Nase herumführen , dachte er und fühlte sich unendlich müde. In der Stille, die folgte, suchte er nach einem Vorwand, um ihre Wohnung zu verlassen, ohne dumm oder beleidigt zu wirken. Aber er hatte keine Idee. Sie standen im Zimmer und sahen sich an, während die Stille vibrierte.
    Schließlich riss sie sich los, ging zu ihrer Anlage, suchte eine CD aus und legte sie ein. Dark side of the moon . Die Wahl der Musik entspannte die Atmosphäre etwas. Er ertappte sich dabei, dass er den vollen Klang bewunderte, der jetzt den Raum erfüllte. Der Titel des Stücks hingegen passte schlecht: Speak to me .
    Schließlich setzte sie sich aufs Sofa, zugeknöpft, mit geschlossenen Knien und gefalteten Händen. »Was machen wir jetzt?«
    Er dachte: Jetzt drehe ich mich um und gehe, ohne ein einziges Wort zu sagen . In der nächsten Sekunde dachte er: Aber ich habe in Situationen wie dieser

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