Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)
brüsk.
Hoff holte Luft und sagte: »Das Einzige, was bei ihrer Einlieferung feststand, war ihr akutes Bedürfnis nach Ruhe und einer sicheren Umgebung. Dass sie im Gespräch eben so präsent war, ist eine positive Überraschung und eine Erfahrung, die ich ins Team mitnehmen werde.«
»Sie verstehen natürlich, warum das Einlieferungsdatum für uns besonders interessant ist. Könnte der denkbare Umstand, dass sie Zeugin des Mordes an dem Polizeibeamten wurde, ein derartiges traumatisches Erlebnis gewesen sein?«
»Das wäre selbstverständlich möglich. Aber es wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt reine Spekulation.« Die Psychologin lächelte leicht und fügte hinzu: »Es wäre vielleicht auch seitens der Polizei ein gewisses Wunschdenken?«
Starum sah sie eine Weile an, bevor sie fragte: »War Veronika früher schon mal in der Psychiatrie?«
»Ja.«
»Und weswegen?«
Maria Hoff dachte einen Moment lang nach, bevor sie antwortete: »Veronika ist als Kind über viele Jahre hinweg schwer vernachlässigt worden. Als Reaktion darauf hat sie mehrfach versucht, sich selbst Schaden zuzufügen.«
»Sich selbst Schaden zuzufügen?«
»Die ganze Skala vom Ritzen mit Rasierklingen bis zu genau geplanten Selbstmordversuchen. Ihre Großmutter ist für Veronika eine sehr wichtige Person gewesen, als die Eltern versagt haben. Dass sie jetzt so nahe bei der Großmutter neuen Übergriffen ausgesetzt wird – das ist, gelinde gesagt, traurig.«
»Übergriffe?«, sagte Starum. »Es hörte sich doch so an, als habe das Mädchen durchaus freiwillig für die Bilder Modell gestanden.«
»Veronika ist noch keine sechzehn«, sagte Maria Hoff und fügte hinzu: »Als Killi Sex mit ihr hatte, hat er gegen Paragraf 196 des Strafgesetzbuchs verstoßen, in dem ein Strafmaß von bis zu fünfzehn Jahren Gefängnis vorgesehen ist.«
Vibeke Starum starrte die Psychologin mit zusammengekniffenem Mund an.
Gunnarstranda lehnte sich zurück und drehte Däumchen.
»Mochten Sie die Dame nicht leiden?«, fragte Gunnarstranda, als sie auf dem Weg zum Ausgang waren.
Vibeke Starum verzog den Mund zu einer Grimasse und äffte die Psychologin nach. »Strafmaß von bis zu fünfzehn Jahren. Was zum Teufel glaubt die, mit wem sie redet?«
Gunnarstranda antwortete nicht.
»Was denken Sie?«, fragte Starum.
»Ich bin dieser Psychologin in einem anderen Zusammenhang schon einmal begegnet. Ich denke, die Welt ist manchmal verdammt klein.«
»In welchem Zusammenhang?«
»Ich möchte gern erst etwas nachprüfen, bevor ich mich dazu weiter äußere.«
Vibeke Starum betrachtete ihn skeptisch.
Er setzte sich in Bewegung. Seite an Seite gingen sie zu den geparkten Autos. »Ich kann Psychologen nicht ausstehen«, murmelte sie. »Ich war einmal mit einem Psychologen zusammen. Der hat die ganze Zeit gesagt, ich müsste meine Wut runterschlucken und verdauen. Er hat behauptet, Wut im Bauch wäre besser als Wut im Kopf.«
»Da hatte er ja nicht direkt Unrecht«, sagte Gunnarstranda.
»Finden Sie? Selbst mein Exfreund musste dann und wann den Kopf gebrauchen.«
»Und was meinen Sie damit?«, wollte Gunnarstranda wissen.
»Man muss doch von seiner Denkfähigkeit Gebrauch machen«, sagte Vibeke Starum. »Es ist doch klar, dass man manchmal von seinem Kopf Gebrauch machen muss, egal wie dämlich man ist.«
»Aber wer sagt, dass das Denken im Kopf sitzt?«
Sie blieb stehen und sah ihn an. »Sitzt das Denken nicht im Kopf?«
Ich glaube ganz sicher, dass es bei manchen an ganz anderen Stellen sitzt.«
»Wo denn?«
»Frank Frølich zum Beispiel, bei dem sitzt das ganze Denken, die ganze Wut und die ganze Freude gut verstaut im Schritt.«
Sie warf ihm einen genervten Blick zu und ging weiter zum Parkplatz. »Ich glaube, es ist an der Zeit, mit den zwei überlebenden Randalierern vom Grønland Torg zu reden«, sagte sie. »Wenn das Mädchen da drinnen Darak Fares kannte, müssen wir annehmen, dass seine Freunde möglicherweise auch sie kennen.«
38
Vibeke Starum bekam kein Wort aus Sharif und Khan heraus. Die Szene war ziemlich surrealistisch. Der Kfz-Mechaniker Khan lag rücklings auf dem Rollbrett unter einem Auto und hämmerte. Sharif knetete hingebungsvoll an einem Dynamo voller Öl herum. Vibeke Starum stand wie eine lächerliche Blondine im Minirock inmitten eines Universums aus Metall, Schrott, Werkzeug und Autos ohne Kühlerhauben, Karosserien oder Türen. Sie wollte nicht über Darak Fares reden und auch nicht über seine Frauenbekanntschaften.
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