Blutfeuer
Dopingmittel erfunden.«
Lacroix nickte und fuhr fort. »Und was für eines! Mit einem
derartigen Sauerstoffanteil im Blut kann jeder Hobbysportler den
Ausnahmelangstreckenläufer Haile Gebrselassie alt aussehen lassen. Und das
Beste ist«, fuhr er mit einem schelmischen Lächeln auf seinem feisten Gesicht
fort, »das Beste ist, dass ›Yellowstone‹ im Prinzip nicht nachweisbar ist. Der
Gingko- und der Steviaanteil im Blut werden binnen eines Tages abgebaut. Die
Agglutinine auf den roten Blutkörperchen halten sich hingegen wochen-,
wahrscheinlich monatelang, bevor sie langsam verschwinden. Der Hämatokritwert
des Blutes bleibt auf einem absolut normalen Niveau, und jeder Dopingtester
wird seine Testverfahren ohne positive Ergebnisse einstellen müssen. Deshalb
wird dieser ganze Zirkus veranstaltet, verstehen Sie? Da stecken Millionen
drin. Allerdings wird keine Zulassungsstelle der Welt ein Medikament, das dem
alleinigen Zweck des Dopings dient, freigeben. Also wurde bis heute verzweifelt
versucht, ›Yellowstone‹ als Demenzmittel zuzulassen.«
Lacroix schnaufte durch. Das war ein sehr engagierter Vortrag
gewesen! Seine kleinen Augen funkelten vor Begeisterung. »Aufgeflogen ist die
wunderbare Geschäftsidee nur durch diese unscheinbaren Plasmodien. Diese regen
wohl die Agglutinine zu der Reaktion an, die normalerweise durch tiefe
Temperaturen ausgelöst wird. Echt dumm gelaufen.« Lacroix nickte befriedigt
über die unerwartet gerechten Launen der Natur.
Doch Siebenstädter grübelte schon weiter. »Aber so einfach ist das
nicht, Lacroix.« Der Gerichtsmediziner in ihm erwachte allmählich und verlangte
nach Erklärungen. »Die Chemiker und Biologen bei Bartosch müssen doch diverse
Testreihen anhand dieser Erkenntnisse durchgeführt haben. ›Yellowstone‹ wurde doch
sicher bereits von außerhäusigen und unabhängigen Anstalten geprüft. Da werden
doch auch Einwirkungen von Insekten und deren Plasmodien abgefragt. Ich
verstehe das nicht. Um was für ein seltenes Plasmodium kann es sich also dabei
handeln?«, stellte Siebenstädter die Frage in den Raum.
Lacroix’ sichtliche Begeisterung wich sofort wieder
Nachdenklichkeit. Eine absolut berechtigte Frage. Was für ein Plasmodium konnte
das wohl sein?
Lagerfeld stellte seinen Honda auf dem inzwischen altbekannten
Parkplatz am Veitsberg ab und schritt die hundert Meter zur Wallfahrtskapelle
hinauf. Schon von Weitem konnte er ärgerliches Diskutieren und erregtes
Geschrei hören. Als er näher kam, sah er einige Dorfbewohner aus Dittersbrunn
und Ebensfeld, die mit Egbert über irgendetwas stritten.
»Mir ham nächsten Samstach Brozession, da seid ihr verschwunden,
sonst gracht’s fei, ihr Kaschber!«, konnte er erste Gesprächsfetzen verstehen.
Die Situation stand kurz vor der Eskalation, trotzdem schien Egbert ruhig zu
bleiben.
»Wir sind doch alle Kinder derselben Erde«, versuchte er sich in
Beschwichtigung, was aber bei den aufgebrachten Ebensfeldern nicht fruchtete.
Bei ihrer alljährlichen Wallfahrt auf den Veitsbeg verstanden sie keinen Spaß.
Und das würde dieser drogensüchtige Knilch auch gleich merken.
»Kriminalpolizei Bamberg. Was ist hier los?« Lagerfeld machte auf
offiziell und wichtig. Das kam in solchen Situationen immer gut. Vorausgesetzt
natürlich, sein Gegenüber war nicht besser bewaffnet als er selbst.
»Der warme Bruder da kapiert net, dass er mit saaner Gesundheit
rumflippert, wenner net da Leine zieht. Mir ham nächsten Samstach Wallfahrt,
und die Kaschber da solla gfällichst abhaua, sonst raucht’s!« Der Wortführer
der Ebensfelder war sichtlich außer sich. Einem Franken die Wallfahrt
vorzuenthalten, das war ähnlich ungeschickt, wie eine Mohammedkarikatur nach
Mekka zu schicken. So etwas sollte man besser bleiben lassen.
Doch Egbert schwante nichts von der heraufziehenden Katastrophe. Er
glaubte beharrlich an die Einsicht der fehlgeleiteten Kindlein und hörte nicht
auf, die zornerfüllten Talbewohner mit seiner Sanftmütigkeit in Rage zu
bringen. Und darin war er wirklich gut. »Dies ist eine Höhe des Friedens und
der Begegnung, liebe Kinder. Lasset uns zusammen niedersetzen und feiern. Ihr
werdet sehen, die Mutter wird euch durchströmen, und ihr werdet selig sein in
ihrem Schoß.« Er hatte die Hände wie der predigende Jesus erhoben und die Augen
geschlossen. Die Geste hatte er von seinem Meister abgeschaut. Wirklich
wunderbar.
Leider sahen das die aufgebrachten Talfranken anders. Sie hatten die
Faxen dicke.
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