Blutfeuer
Helm
auf dem Kopf verschwand der Zwerg in der Dunkelheit.
Gerlinde Rosenbauer nahm ihre Tochter in den Arm. Gemeinsam kauerten
sie sich voller böser Vorahnungen auf den kalten Steinboden.
Die Chinesen ließen Udo Kümmel vorneweglaufen. Er konnte sie in
ihrer Sprache leise murmeln und kichern hören. Offensichtlich machten sie sich
über ihn lustig. Zu allem Überfluss hatte er auch noch seine Lampe vergessen.
Er war so mit der Tatsache beschäftigt gewesen, ein Kind umbringen zu müssen,
dass er erst viel zu spät registriert hatte, dass dieser Gang nicht
elektrifiziert war. Dauernd stieß er mit seinen Turnschuhen gegen
Sandsteingeröll, und auch sein Kopf hatte schon mehrmals Bekanntschaft mit der
niedrigen Decke gemacht. Warum hatte er sich nur zu dem heimlichen Pillenhandel
hinreißen lassen? Er könnte schon längst im Bamberger Sommer in der Sonne auf
einem Keller mit einem Seidla in der Hand sitzen. So ein Scheiß! Stattdessen
musste er hier unten durchs kalte Gestein kriechen.
Wütend trat er einen kleinen Sandsteinbrocken aus dem Weg, der ihm
in einer Tunnelbiegung vor den Füßen lag. Dann stutzte er. Hatte er da im
spärlichen Licht der Taschenlampen gerade etwas gesehen? Da, da war es wieder.
Eine kleine Gestalt in der Mitte des Ganges, etwa zehn Meter vor ihnen. Gimli?
Bevor er überlegen konnte, was zu tun war, wirbelte etwas knapp an seinem
linken Ohr vorbei, und er hörte hinter sich ein stumpfes Geräusch. Die
Taschenlampe der Chinesen fiel zu Boden, und einer von ihnen begann
fürchterlich zu brüllen. In panischer Angst hob Udo Kümmel seine Waffe und
schoss, so schnell er konnte, in den vor ihm liegenden Gang hinein. Dann hörte
er durch das Gebrüll hindurch dreimal den typischen harten Knall einer
Halbautomatik. Gleichzeitig war ihm, als hätte jemand mit fürchterlicher Wucht
mehrmals gegen seinen Rücken getreten. Mit dem Kopf voran stürzte er auf den
kalten Sandsteinboden. Während er sich noch wunderte, warum sich unter ihm eine
warme Flüssigkeit ausbreitete, hörte er über sich leise und schnell etwas
hinwegwirbeln. Urplötzlich erstarb das Geschrei, und auch die Halbautomatik war
von einem Moment zum anderen verstummt. Er konnte noch kurze, schlurfende
Schritte näher kommen hören, dann fühlte und hörte er nichts mehr.
Auch im Keller der Firma Bartosch war Riemenschneider fündig
geworden. Das alte schmiedeeiserne Gitter in der Sandsteinwand war wohl doch
nicht so fest, wie die Spurensicherung geglaubt hatte. Das Ferkel hatte sich
unbeirrt davorgestellt und es so lange angeknurrt, bis die Beamten den
Mechanismus gefunden hatten. Eigentlich ganz einfach, man musste nur wissen,
wonach man suchen musste. Genau wie bei dem Weinregal führte hinter dem Gitter
ein dunkler, unbeleuchteter Gang in die Tiefen des Sandsteins. Motschenbacher
ließ auch hier wieder vier Männer zurück, und die restliche Mannschaft machte
sich auf, den Eingang in der Altenburg zu finden.
Dort angekommen, tat sich Riemenschneider offensichtlich sehr viel
schwerer. Vor allem um das Stück Boden herum, das mit Kokain verseucht worden
war, machte das Ferkel einen großen Bogen. Auch nach einer Viertelstunde
intensivster Schnüffelei hatte Riemenschneider nichts Verwertbares vorzuweisen.
Irgendwann hatte Lagerfeld die richtige Idee. »Mensch, mir sin ja
blöd, Franz«, rief er und schlug sich an den Kopf. »Die Riemenschneiderin kann
ja gar nix dafür. Sie sucht schließlich weiter nach dem Zwerg, aber hier is der
Pechmann untergedaucht, und der riecht ja völlich annerscht.«
Haderlein nickte erleichtert. Kollege Schmitt hatte natürlich recht.
Riemenschneider konnte hier gar nichts finden, weil sie nach dem Falschen
suchte.
Also nahm er sein kleines Schwein und führte es zurück zum Torbogen
des Eingangsbereiches der Burg, wo Pechmann seinen Roller hingeschmissen hatte.
Hier ließ er Riemenschneider Witterung aufnehmen, und sofort ging die Post ab.
Mit aller Kraft zog das Ferkel an der Leine Richtung Bärenzwinger, schlug einen
eleganten Bogen um das Kokain und zerrte dann unwiderstehlich zum ehemaligen
Bärenkäfig. Sekunden später waren alle um die Gitter des letzten Bamberger
Burgbären »Poldi« versammelt, der schon seit Jahrzehnten im Tierhimmel weilte.
Der Käfig diente eigentlich nur noch der Erbauung der vielen Touristen, die
sich an der Burganlage ergötzten.
»So, und jetzt?«, fragte Motschenbacher ratlos und bedachte
Riemenschneider mit einem mittlerweile respektvollen Blick.
»Jetzt
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