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Blutfeuer

Titel: Blutfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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die Seite rollen?« Sie verstand nicht, was er von
ihr wollte. Wenige Meter hinter den Fässern konnte man bereits die Steine des
Fundaments der Burgmauern erkennen.
    Doch Gimli ließ sie nicht los. »Stehen«, sagte er. Dann ging er
vorsichtig drei Schritte nach vorn. Mit seiner Grubenlampe leuchtete er langsam
und gründlich die Wände und den Boden rings um die Fässer ab. Schließlich
schien er etwas gefunden zu haben. »Kommen«, sagte er leise und winkte, worauf
die beiden Rosenbauers vorsichtig näher traten. Mit einem Kopfnicken deutete er
Richtung Wand, dann sah auch Gerlinde, was er entdeckt hatte.
    Unter den Fässern verlief ein dünner Draht, quetschte sich an einer
schmalen Steinfuge etwa einen Meter nach oben und verschwand dann, einer
weiteren Fuge folgend, Richtung Burgfundament in der Dunkelheit. Doch sie
verstand noch immer nicht, was an einer dünnen Litze so schrecklich sein
sollte. »Was soll das, wir müssen doch weiter, Gimli?« Gerlinde Rosenbauer
verlor allmählich die Geduld. Ihre Tochter fror, und auch sie wollte so schnell
wie möglich hier raus.
    »Nicht weiter«, eröffnete ihr der Zwerg leise. »Fass kaputt machen.
Groß kaputt machen.« Er untermalte seine Worte mit einer dramatischen Geste,
dann packte er seine Grubenlampe, drehte sich um und schickte sich an, in den
Gang Richtung Höhlenzentrum zu laufen. Offensichtlich wollte er den gleichen
Weg zurückgehen, den sie gerade erst gekommen waren.
    »Wo willst du hin, Gimli?«, fragte Theresa verzweifelt. Sie zitterte
am ganzen Körper, ihre Zähne schlugen im schnellen Takt aufeinander.
    »Wir können nicht mehr zurück, Theresa holt sich noch den Tod in der
Kälte«, protestierte nun auch ihre Mutter.
    Gimli drehte sich um und schaute beide erstaunt an. Dann wackelte er
wieder zwei Schritte auf sie zu, die Grubenlampe mit der rußigen Flamme in die
Höhe haltend. »Theresa Tod?«, fragte er ängstlich. Jetzt bemerkte auch er, dass
seine Spielkameradin fror. Umgehend stellte er die Lampe und den schweren
Rucksack ab. Umständlich löste er die Schlaufe seines grauen Stoffumhangs, ging
auf die bibbernde Theresa zu, legte ihr den groben Stoff um die Schultern und
band ihn vorn wieder in einer großen Schleife zusammen. »Theresa warm?«, fragte
er besorgt.
    Das Mädchen nickte und lächelte. »Ja, viel besser. Danke, Gimli.«
Bevor er noch reagieren konnte, gab sie dem Zwerg einen schnellen Kuss auf die
Nase.
    Damit hatte er nun gar nicht gerechnet. Für einen Moment stand er in
der Mitte des Ganges und wusste nicht, was er sagen sollte. In seinem ganzen
Leben hatte er noch nie einen Kuss bekommen. Er hatte schon nicht mehr darauf
zu hoffen gewagt, und dann passierte es jetzt. Ganz plötzlich, von einem
kleinen Mädchen, siebzig Meter unter der Erde auf der Flucht. In seinem
zerschlissenen, kleinen grünen Wams und den braunen, viel zu großen Pluderhosen
sah er richtiggehend verlegen aus.
    Gerlinde Rosenbauer hatte die ganze Szene schweigend mitverfolgt.
Vor Rührung kamen ihr fast die Tränen. Was für ein armer, einsamer kleiner Kerl
dieser Zwerg doch war. So lange hatte sie ihn schon gekannt und doch so wenig
über ihn gewusst.
    Plötzlich kam wieder Leben in Gimli. Er hatte seine minimalerotische
Erfahrung verdaut und schwang sich nun wieder den Rucksack auf den Rücken. Als
er sich kurz auf den Höhlenboden schnäuzte, verzog Theresa angewidert das
Gesicht. Doch Gimli stand nicht der Sinn nach ausgefeilter Etikette, entschlossen
deutete er in den dunklen Gang.
    »Gehen«, meinte er leise, aber bestimmt. »Müssen anderer Weg. Gimli
wissen.« Und bevor noch jemand ein Wort des Widerspruches erheben konnte, war
er auch schon schlurfend in der Tiefe des Ganges verschwunden. »Kommen!«,
konnten sie seine ungeduldige Stimme hallend aus dem Dunkel des Stollens hören.
    Es war fünfzehn Uhr, und die Polizeiaktion war offiziell angelaufen.
Das SEK stand mit Haderlein,
Lagerfeld, der Riemenschneiderin und ihrer Führerin Manuela Rast im Kellergewölbe
der Villa Rosenbauer. Überall waren noch die Spuren der letzten Durchsuchung zu
erkennen. Auch ein Fußabdruck Gimlis war mit weißer Kreide eingefasst.
Motschenbacher stand mit vier Mann seiner Truppe daneben und besah sich
kopfschüttelnd die für ihn abgefahrene Szenerie.
    »Riemenschneider, such!«, sagte Manuela Rast laut, und sofort ging
das kleine Ferkel in die Diensthaltung, die es in den letzten Tagen so fleißig
gelernt hatte. Es stand auf allen vieren, der Kopf war gerade nach

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