Blutflucht - Evolution
von ihm: …
nichts, was ich nicht wieder hinbekomme … ein neues Ohr … ein neues Knie … Peanuts für so einen brillanten Arzt, wie ich einer bin!
Jack drückte ein weiteres Mal ab und die Kugel riss Harcourt diesmal das linke Ohr ab. »Und das ist dafür, dass Sie Frank ermorden ließen!«
Wenn Vater ihn umbringt, will ich nichts mehr von ihm wissen!
, meldete sich plötzlich mein Kind.
Nein – nicht mein Kind: ich. In meiner Panik hörte ich wieder seine Stimme.
»Jack, bitte hör auf! Deinem Sohn zuliebe! Er braucht einen Vater, keinen Mörder!«
»Sagst du das nur, damit ich aufhöre?«, fragte er, ohne Harcourt aus dem Visier zu nehmen.
»Bitte, Jack«, sagte ich traurig, obwohl ich ein wenig stolz auf ihn war. Er war ein hervorragender Schütze.
Ein Mann mit deiner Berufsausbildung und deinen Fähigkeiten würde bei MALVE einen Klassejob bekommen, wir könnten noch einmal von vorn anfangen!
, schickte ich ihm.
Als fast normale Familie. In Sicherheit!
Jack zielte weiterhin auf seinen Peiniger, blind vor Hass und Zorn, als hätte er mich nicht gehört.
Ich wusste, der Arzt wollte in den Raum mit den Versuchstieren, um sich dort in Sicherheit zu bringen. Schon legte er den Daumen auf den Scanner und die Tür öffnete sich.
»Bleiben Sie stehen oder ich treffe das nächste Mal eine Stelle, wo es Ihnen wirklich wehtut!«, rief Jack, der sich offensichtlich ebenfalls schon wunderte, warum dem Doktor die Verletzungen nichts ausmachten.
»Tun Sie sich keinen Zwang an, Mr. Hayes, ich besitze von Natur aus ein sehr geringes Schmerzempfinden. Man könnte fast sagen, dass ich auch ein Mutant bin, aber im Gegensatz zu Ihnen ein
reinrassiger
!«
Das gedämpfte Empfinden war vielleicht der Grund, warum er gegen meine telepathischen Einflüsse beinahe resistent war. Der Arzt zuckte kurz und Jack schoss. Diesmal traf er das andere Knie. Dr. Harcourt brach in der Tür zusammen.
»Wie Sie wollen! Schmerzempfinden hin oder her, nun werden Sie mir nicht mehr entkommen.« Die Waffe zitterte in Jacks Hand. Er hatte kaum noch Kraft. »Meiner Frau und meinem Sohn haben Sie es zu verdanken, dass ich nicht Ihr Herz getroffen habe, falls Sie überhaupt eines besitzen!«
Er hatte mich
seine Frau
genannt!
Oh Jack, bitte hör jetzt damit auf! Verdirb nicht alles!
Während ich die Szenerie beobachtete, hielt ich den Atem an. Jeder meiner Muskeln war angespannt, mein Puls hämmerte.
Das war dafür, dass sie deine Eltern auf dem Gewissen haben!
, schickte er mir zurück.
»Jack, jetzt reicht es, du hattest deine Rache.« Ich ging zu ihm und kniete mich auf den Boden. »Gib mir die Waffe!«
»Ich bin noch nicht fertig mit ihm.« Jack sah zu mir auf. Seine Augen funkelten wild. Dann versuchte er, auf den Arzt zuzukriechen.
Lass mich das erledigen, Mutter
. Mein Sohn wieder.
Bitte nenn mich nicht immer
Mutter
. Was hältst du von
Mama
?
Ich hörte das Lachen eines Kindes.
Lass mich das erledigen, Mama!
Oh mein Gott, ich wurde langsam verrückt. Ich sprach mit mir selbst!
»Was tust du?«, rief Jack mir zu, die Augen groß vor Entsetzen, als ich mich auf den Doktor zubewegte. »Halte dich von ihm fern!«
»Ich bin das nicht, das ist … dein Sohn«, sagte ich.
»Was?« Jack schaute mich an, als wären mir alle Sicherungen durchgebrannt.
»Erkläre ich dir später.« Wenn es ein Später gab.
Nimm seinen Kopf in deine Hände, so wie bei Jack zuvor
.
Als ich die Fingerspitzen an die Schläfen des Doktors legte und seinen Kopf zu mir zog, war das Letzte, was ich wahrnahm, seine panisch aufgerissenen Augen.
Ohne Vorwarnung drang das Bewusstsein des Arztes in meinen Kopf und mir zerriss es fast den Schädel. Der Druck in meinem Gehirn war unerträglich. Plötzlich bestand ich aus zwei Personen. Drei, wenn ich mein imaginäres Kind dazuzählte. Harcourt schrie und tobte in mir wie ein Psychopath, und ich sah mit einem Mal, was für Grausamkeiten er in seinem bisherigen Leben verbrochen hatte. Da er von Geburt an fast nicht in der Lage war Hitze, Kälte, Schmerz oder auch Streicheleinheiten zu fühlen, war sein emotionales Empfinden abgestumpft, was ihn im Laufe seines Lebens zu einem Untier werden ließ. All die langen Jahre suchte er nach einer Lösung, wie er seinen Gendefekt hätte beheben können. Er empfand nur Lust und Freude, wenn er anderen Menschen Leid und Schmerz zufügen konnte und verfolgte dabei ihre emotionale Reaktion mit abartiger Faszination und Befriedigung. Doch diese Laune der Natur rechtfertigte
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