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Blutflüstern: Novelle (German Edition)

Blutflüstern: Novelle (German Edition)

Titel: Blutflüstern: Novelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Pflanzenkübel aufragte, fühlte ich mich halbwegs sicher.
    Bis Mitternacht waren es nur noch fünfzehn Minuten, und ich wurde langsam unruhig. Dann würden die sieben glücklichen Hexen, die das Los erwählt hatte, sich die Hände geben und den Schutzkreis vor dem Springbrunnen schließen. Je länger sie ihn hielten, desto erfolgreicher
sollte das nächste Jahr angeblich werden. Ich hatte, genauso wie Robbie, einen Zettel mit meinem Namen in den Hut geworfen, und ich wusste nicht, was passieren würde, falls einer von uns gezogen wurde. Es hätte verdächtig ausgesehen, wenn wir unsere Namen nicht abgegeben hätten, als wir den Zauberdetektor durchquerten, der zum Platz führte.
    Von dem Zauberdetektor hatte ich natürlich gewusst. Aber ich hatte noch nie zuvor versucht, einen Zauber hineinzuschmuggeln, und deswegen hatte ich ihn vollkommen vergessen. Anscheinend versuchten einige Leute, sich die organisierte, aber unkonzentrierte Energie zunutze zu machen, die von so vielen versammelten Hexen erzeugt wurde. Mein Zauber war noch nicht aktiviert und damit für den Detektor unauffindbar, wenn sie mir nicht die Taschen durchwühlen wollten. Nicht wie bei der männlichen Kraftlinienhexe vor mir, bei dem ich entsetzt beobachtet hatte, wie der Sicherheitsdienst ihn auf den Boden warf. Die Zutaten für einen Kraftlinienzauber hineinzuschmuggeln war um einiges schwieriger. Ich hatte nur ein winziges, verschlossenes Glasfläschchen und einen vielleicht handflächengroßen Stein mit einer kleinen Vertiefung darin dabei.
    Ich trommelte schneller gegen den Kübel, dann zog ich in einem Anfall von Nervosität die Beine unter mich und stand auf, sodass ich über die Menge hinwegsehen konnte. Ich wischte den Schnee von dem Efeu, der in dem schmalen Spalt zwischen dem Rand des Kübels und dem Stein wuchs, und fühlte, wie kalt meine Zehen waren, während ich nach Robbie Ausschau hielt. Mein Fuß bewegte sich im Rhythmus zu Marilyn Mansons »White
Christmas«, das auf der weit entfernten Bühne spielte. Die Menge, die dort stand, war irgendwie angsteinflößend.
    Mein unruhiger Blick fiel auf den einzigen ruhigen Ort in dem ganzen Chaos: den Kreis direkt vor dem Brunnen. Ein Kerl mit dem Schriftzug STADTEREIGNIS auf seiner orangefarbenen Weste rannte auf der freien Fläche herum, aber der Rest der Security stand einfach da und bildete eine lebende Barriere. Einer entdeckte mich und schnell setzte ich mich wieder. Man durfte sich nicht auf die Pflanzenkübel stellen.
    »Ein Flugblatt?«, fragte ein Mann und seine Stimme klang, als hätte er das schon sehr oft gefragt. Er war der Einzige, der dem Kreis den Rücken zugewandt hatte, als er sich durch die Menge schob. Ich hatte meine »Nein, danke«-Ansprache schon vorbereitet, bevor er mich überhaupt erreicht hatte. Aber dann entdeckte ich den »Haben Sie mich gesehen?«-Anstecker an seiner Jacke und änderte meine Meinung. Ich würde ein dämliches Flugblatt nehmen.
    »Danke«, sagte ich und hielt ihm meine behandschuhte Hand entgegen, noch bevor er fragen konnte.
    »Gott segne Sie«, sagte er leise. Das von Schnee feuchte Papier fühlte sich in meiner Hand eher an wie Stoff.
    Er wandte sich ab, wie betäubt von dem Grund für seine verzweifelte Suche. »Ein Flugblatt?«, fragte er wieder und schob sich langsam weiter.
    Deprimiert starrte ich auf das Bild. Das verschwundene Mädchen war hübsch und seine glatten Haare hingen ihm bis über die Schultern. Sarah Martin. Menschlich. Elf Jahre alt. Trug Jeans und einen pinkfarbenen Mantel, als sie zuletzt gesehen wurde. Hatte vielleicht ein Paar weiße Schlittschuhe dabei. Blonde Haare, blaue Augen.
    Ich stopfte das Flugblatt in meine Manteltasche und atmete tief durch. Hübsch zu sein sollte einen nicht zum Angriffsziel machen. Wenn sie sie heute Nacht nicht fanden, war sie wahrscheinlich nicht mehr am Leben, wenn sie doch wieder auftauchte. Ich war nicht die Einzige, die die Macht der Sonnenwende dafür einsetzte, starke Magie zu wirken. Bei dem Gedanken wurde mir schlecht.
    Eine vertraute Gestalt erregte meine Aufmerksamkeit, und ich lächelte Robbie an. Er bewegte sich zögerlich und ruckartig durch die Menge, weil er versuchte, den Leuten auszuweichen, um unsere heißen Getränke nicht zu verschütten. Außer dem neuen Mantel besaß er jetzt auch eine dicke Wollmütze, einen Schal und ein Paar Handschuhe, das meine Mom ihm zur Sonnenwende gestrickt hatte. Aber er trug immer noch seine dünnen Turnschuhe, und sein Gesicht war von der

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