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Blutflüstern: Novelle (German Edition)

Blutflüstern: Novelle (German Edition)

Titel: Blutflüstern: Novelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Küste.«
    »Es war ja nur ein Gedanke«, antwortete sie bissig. »Halt den Mund und iss einen Keks.«
    Meine Knie wurden weich. Ich wusste, wenn ich mich in den nächsten dreißig Sekunden nicht hinsetzte, würde ich umfallen, also ließ ich mich auf einen Stuhl sinken. Ich ignorierte meine zitternden Finger, zog die alte Waage meiner Mutter aus einer staubigen Kiste und wischte die Schalen mit einem weichen Lappen ab, dann stellte ich sie auf Null.
    Die Weinmischung brauchte noch Staub, um dem Geist etwas zu geben, um das herum er seinen kurzzeitigen Körper aufbauen konnte. Es war ein bisschen so, wie eine Wolke Staub brauchte, um Schneeflocken zu erzeugen. Ich musste ihn abwiegen, da man Staub sonst kaum abmessen konnte. Robbie hatte ein wenig Staub unter den Bänken einer Kirche gesammelt, während er unterwegs war, um sich einen Mantel zu kaufen, daher wusste ich, dass er frisch und stark war.
    Mein Atem bewegte die Waagschalen, also hielt ich sie vorsichtig von mir weg, während ich den Briefumschlag mit dem Staub kippte. Der Staub, der Wein und die Stechpalme
würden dem Geist Substanz geben, aber es war der andere Teil mit dem Zitronensaft, der ihn tatsächlich beschwor. Eibe war anscheinend ziemlich grundlegend, wenn es darum ging, mit den Toten zu kommunizieren; der Efeu band den Geist und variierte von Zauber zu Zauber. Und natürlich mein Blut, um den Zauber zu aktivieren, den Geist gleichzeitig anzuziehen und ihn in den Rauch zu bringen, der aufstieg, wenn der Zauber aktiviert wurde. Es gab nichts, was man tun konnte, um den Geist dauerhaft zu binden, aber für eine Nacht funktionierte es. Genug Zeit, um ihm eine Frage zu stellen. Genug Zeit, um ihn nach dem Warum zu fragen.
    Schuldgefühle und Sorgen ließen meine Hand zucken, und ich schüttete zu viel Staub aus dem Umschlag. Bitte sag, dass ich zur I. S. gehen soll , dachte ich, während ich abwechselnd auf das Staubhäufchen blies und die Luft anhielt, bis die Waage den richtigen Wert anzeigte.
    Mit vorsichtigen Bewegungen, um keinen Luftzug zu erzeugen, holte ich den kupfernen Zauberkessel mit dem Zitronensaft und schüttete den Staub hinein.Als die graue Masse schwarz wurde und sank, atmete ich tief durch.
    Auf dem Küchentisch stand die Kiste mit den Gerätschaften, und ich wühlte darin herum, bis ich einen gläsernen Rührstab fand. Ich war fast fertig, aber meine Freude verpuffte, als Robbie fragte: »Hast du mal darüber nachgedacht, mit mir zu kommen? Du und Rachel, ihr beide?«
    Ich erstarrte mit klopfendem Herzen. Was zur Hölle? Wir hatten eine Abmachung!
    »Nein«, antwortete meine Mom mit Bedauern in der Stimme. Ich rührte den Staub im Uhrzeigersinn unter,
aber eigentlich war ich mehr auf die Stimmen aus dem Wohnzimmer konzentriert.
    »Dad ist jetzt schon eine ganze Weile fort«, flehte Robbie. »Du solltest endlich wieder leben.«
    »Nach Portland zu ziehen würde überhaupt nichts ändern.« Die Antwort kam schnell und entschieden. Wann immer sie diesen Ton anschlug, musste man nicht weiter mit ihr reden. »Rachel muss hier sein«, fügte sie hinzu. »Hier ist ihr Zuhause. Hier leben ihre Freunde. Ich werde sie nicht entwurzeln. Nicht, wenn sie endlich wieder anfängt, sich in ihrer Haut wohl zu fühlen.«
    Ich zog eine Grimasse und legte den Rührstab beiseite. Ich hatte nicht viele Freunde. Als Kind war ich zu krank gewesen, um Freundschaften zu schließen. Die Mädchen im College behandelten mich wie ein Kind, und nachdem die Jungs rausgefunden hatten, dass ich noch minderjährig war, hielten sie sich ebenfalls von mir fern. Vielleicht war ein Umzug gar keine so schlechte Idee. Dann könnte ich jedem erzählen, ich wäre schon einundzwanzig. Aber das würden sie mir nie glauben, flachbrüstig wie ich war.
    »Ich kann dafür sorgen, dass die Uni sie aufnimmt«, meinte Robbie in dem drängenden Tonfall, den er schon oft eingesetzt hatte, um uns aus Schwierigkeiten rauszureden. Meistens hatte es geklappt. »Ich habe eine tolle Zwei-Zimmer-Wohnung, und sobald sie dort wohnt, kann ich die Studiengebühren bezahlen. Sie muss einfach öfter mal in die Sonne.«
    Wir hatten eine Abmachung, Robbie , dachte ich und starrte in den leeren Flur. Er versuchte, mich zu überrumpeln. Es würde nicht funktionieren. Ich würde den Zauber richtig
wirken, und dann musste er die Bewerbung unterschreiben, und ich konnte mich bei der I. S. vorstellen.
    »Nein«, antwortete meine Mom. »Außerdem, falls Rachel ihre Studien vertiefen will, hat auch

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