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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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an Lina zu denken. Zum Zeitvertreib las Sam seinem Vater vor. Ursprünglich hatte der Alte Das
Tal der Puppen
verlangt, Sam weigerte sich aber, das zu lesen. Sie einigten sich schließlich auf
Catch-
22
. Sein Vater lachte bei den komischen Stellen so heftig, dass Sam ihm die Tränen von den Wangen wischen musste.
    Frank lehnte es ab, über die Ereignisse zu sprechen, die zu der Katastrophe in Genf geführt hatten. Es schien ihm klargeworden zu sein, dass er sich völlig verschätzt hatte; eigentlich schon vor Jahren, aber das ließ sich jetzt nicht wiedergutmachen. Was konnte man über einen Fehler dieser Größenordnung sagen? Wenn er nichts sagte, nahm er ihm seine Schwere, also schwieg Frank. Die Sache lag hinter ihm, sie hatte ihren Schaden angerichtet, würde allmählich den Fluss der Zeit hinunterschwimmen, dem Vergessen entgegen. Er wollte auch nicht über seine Folter reden oder erzählen, was Hammuds Leute so dringend aus ihm herausbekommen wollten. Es war vorbei. Wie so viele in seiner Zunft verfolgte er eine pragmatische Ethik, die aus dem schlichten Rezept bestand: «Das Leben geht weiter». Die Agency kümmerte sich um die Dinge, die rauen Stellen wurden geglättet. Darauf hatte er sein ganzes Leben vertraut, und das wurde nicht durch fünf Minuten Folter in einem Genfer Hotelzimmer geändert. Sam pflegte die Wunden seines Vaters, las ihm vor und hörte sich seine Tiraden über den Zustand der Welt an. Es war wohltuend. Sam erkannte schließlich, dass er enttäuscht gewesen wäre, wenn sein Vater sich entschuldigt hätte.
    Was Frank in Bezug auf die Ereignisse in Genf äußerte, war einzig und allein eine Bemerkung. Eines späten Nachmittags, nachdem er lange Zeit auf die Wand seines Krankenzimmers gestarrt hatte, sagte er: «Weißt du was, mein Junge? Diese Freundin von dir war ein verdammt gewieftes Miststück.»
     
    Eines Morgens, als Sam sich dem Krankenhaus näherte, sah er einen Mann, der sich auf dem Bürgersteig herumtrieb und den er wiederzuerkennen meinte. Es war ein Gesicht, das er in Genf gesehen hatte, im Park am See, an jenem Tag, an dem er angekommen war, um sich mit Lina zu treffen. Der Mann trug jetzt einen Hut, der seine Glatze bedeckte, aber er hatte die gleiche dunkle Hautfarbe und die gleichen Augen. Er blieb den ganzen Vormittag über auf dem Bürgersteig stehen. Sam machte seinen Vater schließlich auf den Mann aufmerksam und fragte ihn, was er davon halte.
    «Wer ist das?», fragte Frank.
    «Ich glaube, er arbeitet für Hammud. Er hat mich schon in Genf beschattet.»
    «Mann!», sagte Frank und fasste sich mit einer seiner bandagierten Hände an die Stirn. «Das sollte eigentlich nicht passieren.»
    «Was sollte nicht passieren?»
    «Hammuds Jungs sollten eigentlich wieder brav in ihrem Käfig sein. Das haben sie der Agency gesagt. Was zum Teufel machen die hier? Ich kann’s mir nicht leisten, noch ein paar gottverdammte Finger zu verlieren!»
    «Was soll ich tun?»
    «Die Botschaft anrufen.»
    «Wieso? Was können die schon tun? Wie gesagt, sie hätten das schon längst klären sollen.»
    Frank überlegte einen Moment und sah dann wieder aus dem Fenster. «Du hast recht. Vergiss die Botschaft. Ich trau diesen Wichsern nicht mehr.» Er sah seinen Sohn an, breitete seine bandagierten Arme aus. «Und, hast du eine bessere Idee, Junior?», fragte er. «Dann sag’s deinem Papa.»
    Es war eine Art Diplomprüfung.
    Sam hatte tatsächlich eine bessere Idee, nämlich Ali Mattar anzurufen. Der Palästinenser wollte sich zuerst nicht mit ihm verabreden, aber als Sam sagte, er sei bereit, ihm ein Honorar zu zahlen, überlegte er es sich anders. Ali schlug vor, sich später am Tag im Jardin du Luxembourg zu treffen, in der Nähe der Tennisplätze. Das hörte sich melodramatischer an als sonst, aber Sam versprach, dass er da sein werde. Ali erschien zu dem Treffen in einem witzigen italienischen Jogginganzug, und er hatte einen Tennisschläger in der Hand, an dem noch das Preisschild klebte. Sein Schnurrbart hing noch tiefer herab als sonst. Er vermied es, Sam anzusehen, bis er direkt neben ihm stand.
    «Du bist zu heiß,
habibi
», sagte er, als Sam es schließlich schaffte, ihm die Hand zu schütteln. «Niemand will mehr mit dir reden außer deinem allerbesten Freund Ali. Also pass auf, dass uns niemand sieht, bitte.» Sie drehten sich um und sahen zwei jungen Franzosen zu, die auf dem Asphaltplatz den Ball hin- und herschlugen.
    «Wieso bin ich so heiß?», fragte Sam.
    «Spiel keine

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