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Blutgold

Blutgold

Titel: Blutgold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B McGilloway
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dann brauche ich ja keine Mordakte anzulegen.«
    »Wenn Sie hier keinen viertausend Jahre alten Mann herumwandern sehen,
haben Sie mit ihr wohl keine Arbeit, Inspektor.«
    Am
Sonntag wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder dem kürzlich Verstorbenen zu.
Mit einigen uniformierten Polizisten klapperte ich auf der Suche nach
Informationen über den toten Tschetschenen die Trödelmärkte in Lifford und
Letterkenny ab. Wir verteilten den Aufruf, den ich hatte übersetzen lassen, an
alle, die interessiert waren, und baten sie, ihn weiterzuverbreiten. Jim
Hendry, mein Gegenpart nördlich der Grenze, hatte versprochen, in der Gegend
von Strabane dasselbe zu tun. Doch unsere Anstrengungen erbrachten keine neuen
Erkenntnisse.
    Am
Nachmittag ging ich auf den großen Markt am Rand von Derry. Ich blieb an
diversen Ständen stehen, die osteuropäische Speisen verkauften, doch niemand
konnte mir helfen. Als ich gerade den letzten Abschnitt des Marktes abschritt,
erkannte ich einen Händler, der aus dem Heck eines weißen Transporters heraus
verkaufte, von denen noch einige weitere am Zaun des Geländes parkten.
    Pol von der Beratungsstelle für Wanderarbeiter reichte einer stämmigen
Frau Tüten mit Toilettenpapierrollen. Neben ihm lehnte ein weiterer Mann an der
Seite des Transporters und drehte sich gerade eine Zigarette. Er war drahtig
und hatte scharf geschnittene Gesichtszüge sowie einen dünnen Schnurrbart.
    »Sie sind ja ein echter Wanderarbeiter«, sagte ich zu Pol, als die Frau
fort war. Er blickte mich scharf an, als suchte er in meinen Worten nach einer
versteckten Beleidigung.
    »Ich meine, zwei Jobs«, erläuterte ich. »Sie werden uns faule Säcke
noch beschämen.«
    »Arbeit ist Arbeit«, erklärte er. »Was tun Sie hier?«
    »Ich suche immer noch nach Informationen über ihn hier«, sagte ich und
reichte Pol einen Handzettel. »Können Sie den an Ihrem schwarzen Brett
aushängen?«
    »Das hier ist Vinnie, mein Chef«, sagte Pol und deutete auf den anderen
Mann. »Am besten fragen Sie ihn.«
    Vinnie stieß sich vom Lieferwagen ab und nahm den Handzettel entgegen.
    »Was hat er getan?«, fragte er.
    »Er hat sich erschießen lassen«, antwortete ich. »Wir müssen seine
Familie finden, falls er eine hat.«
    »Irgendwelche Anhaltspunkte?«, fragte Vinnie.
    »Kein einziger«, erwiderte ich. Plötzlich hatte ich es eilig, das
Gespräch zu beenden.
    Vinnie biss auf das Ende seiner Selbstgedrehten und spuckte zu Boden.
»Wir hängen den Zettel auf und halten die Augen offen«, sagte er.
    Der
Durchbruch kam schließlich aus unerwarteter Quelle. Seit einiger Zeit bekam ich
zuweilen Panikattacken, und mein Hausarzt, John Mulrooney, verschrieb mir
Betablocker. Am Montagmorgen war ich zur Untersuchung bei ihm, weil ich ein
neues Rezept benötigte. Während ich darauf wartete, dass er das Rezept
unterschrieb, fragte er mich nach dem Toten.
    »Schon
Glück gehabt mit der Identifizierung?«
    »Nein. Wie es scheint, ist er ein illegaler Einwanderer – ein
Tschetschene offenbar. Aber wir finden niemanden, der ihn identifizieren
könnte.«
    »Keine Angehörigen?«
    »Nichts«, sagte ich. »Ich habe es auf den Trödelmärkten und in der Beratungsstelle
für Wanderarbeiter versucht. Das Problem ist: Wenn er ein Illegaler ist, ist er
nirgendwo gemeldet.«
    »Sind Sie denn sicher, dass er ein Illegaler ist?«, fragte Mulrooney.
    »Ziemlich sicher. Warum?«
    Mulrooney schien mit sich zu kämpfen, dann stand er auf und reichte mir
das Rezept. »Sie haben das nicht von mir, Ben. Es gibt da einen
Vertretungsarzt, der manchmal den ärztlichen Notdienst in Strabane übernimmt –
ein polnischer Bursche. Offenbar behandelt er nachts heimlich Illegale, die
ärztliche Hilfe brauchen – ohne ihnen etwas zu berechnen. Wenn das offiziell
bekannt würde, würde man ihn feuern, aber von den Kollegen vor Ort kümmert es
niemanden. Letzten Endes ist das Gesundheitssystem ja dafür da, Leuten zu
helfen. Wenn irgendjemand Ihren Mann kennt, dann er.«
    »Ärgert das die irischen Ärzte nicht – ein Pole, der ihnen die Arbeit
wegnimmt? Muss er keine Angst haben, dass ihn jemand meldet?«
    »Er ist zufrieden damit, die Friedhofsschicht zu übernehmen, die
niemand machen will, und das für ein Drittel des Gehalts. Niemanden kümmert es
wirklich, wen er um drei Uhr morgens behandelt, wenn er bereit ist, dafür
aufzustehen.«
    Ich weiß nicht, was ich abscheulicher fand: dass der polnische Arzt nur
einen Bruchteil des üblichen Gehalts bekam oder dass dies

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