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Blutgold

Blutgold

Titel: Blutgold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B McGilloway
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offensichtlich dem
vorzuziehen war, was der Mann in seiner Heimat verdient hatte.
    Nach
einem Anruf bei Jim Hendry hatte ich den Namen des Mannes: Karol Walshyk. Da er
im Norden lebte, bot Hendry an, mich zum Haus des Mannes in Sion Mills zu
begleiten.
    Es war das
hübscheste von fünf Reihenhäusern. An den Fenstern hingen Spitzengardinen, und
das Holzwerk war frisch gestrichen. Als Walshyk uns die Tür öffnete, drang ein
Schwall warmer, gewürzgeschwängerter Luft ins Freie. Der Mann selbst war über
vierzig, hatte einen gepflegten grauen Bart und trug eine Schürze.
    Seine erste Reaktion auf unseren Anblick war die Frage, ob seinen
Eltern in Polen etwas zugestoßen sei. Nachdem wir ihn in dieser Hinsicht
beruhigt hatten, bat er uns herein und lud uns zum Mittagessen ein. Schließlich
fragte er uns, was wir von ihm wollten.
    Als wir den Grund unseres Besuchs erläuterten, wollte er uns zunächst –
verständlicherweise – nicht helfen. Er leugnete, irgendetwas über illegale
Arbeitskräfte in der Gegend zu wissen, und behauptete, den Mann auf dem Foto,
das ich ihm zeigte, nicht zu kennen. Es war offensichtlich, dass er uns etwas
verheimlichte, und allmählich vermutete ich, dass Jim Hendrys Anwesenheit der
Grund dafür war. Kein Einwanderer, ob legal oder nicht, wird sich in Anwesenheit
eines Polizisten zu illegalen Aktivitäten bekennen, nicht einmal zu den
vertretbarsten. Ich dagegen befand mich außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs
und stellte deshalb keine Bedrohung für ihn dar. Ich dankte ihm für seine Hilfe
und ließ meine Visitenkarte da für den Fall, dass ihm noch etwas Nützliches
einfiele.
    Und tatsächlich, eine Stunde später rief er mich an und bat mich um ein
Treffen unter vier Augen. Dann werde er mich zur Familie des Toten bringen.
    Zu
meiner Überraschung hatte der Tote offenbar in einem Neubaugebiet an der Urney
Road gewohnt. Unterwegs dorthin bat mich der polnische Arzt, ihn Karol zu
nennen, und erzählte mir die Geschichte der Familie. Einige Monate zuvor war
der Mann eines Abends mit seiner Frau in die Praxis gekommen. Sie hatte sich im
Anfangsstadium einer Schwangerschaft befunden und gerade eine Fehlgeburt
erlitten. Karol hatte sie ins Krankenhaus schicken wollen, doch sie hatte sich
geweigert. Stattdessen hatte er einige Wochen lang jeden Tag Hausbesuche bei
ihr gemacht, bis sie sich wieder erholt hatte. Damals hatte ihr Mann, ein
gewisser Ruslan Almurzayev, in einem Imbisswagen in der Gegend gearbeitet.
Seither hatte Karol ihn und seine Frau Natalia nicht wiedergesehen.
    Ich
erinnerte mich noch daran, wie die Häuser an der Urney Road verkauft worden
waren. Trotz der Größe und der nur kärglichen Grundstücke, die dazugehörten,
hatte man saftige Preise dafür verlangt.
    »Wie können sie sich bloß leisten, hier zu wohnen?«, fragte ich.
    »Das werden Sie gleich sehen. Warten Sie’s ab.«
    Als
wir ankamen, bot Karol an, die Bewohner auf meinen Besuch vorzubereiten. Ich
blieb im Wagen sitzen, rauchte und wartete auf sein Zeichen.
    Gerade
hatte ich meine Zigarette ausgedrückt, da erschien Karol in der Tür und winkte.
    Ich ging hinein, und da verstand ich. Es gab beinahe keine Möbel; die
Sitzgelegenheiten in der Küche beschränkten sich auf alte Gartenmöbel. Der
Wohnbereich war mit Bohnensäcken und einem alten Couchtisch möbliert. In der
Ecke stand ein mitgenommener Schwarz-Weiß-Fernseher, vor dem sich Kinder
unterschiedlichen Alters lümmelten. Auf dem Kocher in der Küche dampfte ein
Topf. Im Obergeschoss jammerte eine Frau, andere Frauenstimmen riefen etwas.
    Karol führte uns die teppichlose Treppe hinauf. Eine Schar Frauen
blockierte die Tür zu einem der drei Schlafzimmer. Ich spähte zwischen ihnen
hindurch und sah eine Frau, die auf der Kante eines Feldbetts saß und
schluchzte, während eine andere Frau sie tröstete.
    Karol sprach zu der Frauengruppe, vermutlich konnte er Tschetschenisch,
denn als wir uns hindurchdrängelten, traten sie beiseite. Er führte mich ins
Zimmer und sagte wieder etwas, und binnen einer Minute waren nur noch wir zwei
und die junge Frau übrig.
    »Sind das Ihre Freundinnen?« Meine Frage richtete sich an die Frau,
auch wenn ich Karol ansprach.
    »Sie wohnen hier«, erwiderte er, ohne die Frau zu fragen.
    »Alle?«, fragte ich ungläubig, denn ich hatte mindestens ein Dutzend
Personen gesehen, wenn man die Kinder im Erdgeschoss nicht mitzählte.
    »Insgesamt vierundzwanzig«, erläuterte Karol. »Vier Familien. Eine pro
Schlafzimmer und

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