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Blutgold

Blutgold

Titel: Blutgold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B McGilloway
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Tisch. »Sagen
Sie ihr, sie bekommt keine Schwierigkeiten, wenn sie es mir jetzt sagt.
Ansonsten muss ich sie der Einwanderungsbehörde melden.«
    Karol setzte an, es Natalia zu erklären, doch dann hielt er inne und
sah mich fragend an.
    »Sagen Sie es ihr einfach«, forderte ich ihn auf.
    Widerstrebend erzählte die junge Frau uns die lange Geschichte, wie sie
und ihr Mann in Irland gelandet waren.
    Sie
hatten in Tschetschenien beide für zusammen unter zweihundert Euro im Monat in
einem Stahlwerk gearbeitet. Dann erhielt Ruslan Nachricht von seinem Cousin,
der nach Irland gegangen war: Die Wirtschaft hier boome, es sei ein Land der
unbegrenzten Möglichkeiten. Sie könnten in einer Woche mehr verdienen als zu
Hause in einem Monat.
    Sie hatten
keine Kinder, niemanden, der von ihnen abhängig war, nichts, was sie von der
Auswanderung abhalten konnte. Allerdings mussten sie beide zehntausend Euro für
die Einschleusung sowie für eine sichere Unterkunft und eine neue Identität
bezahlen, wenn sie hier ankamen.
    Den Mann, der sie nach Irland bringen würde, könnten sie in Raten
bezahlen, wenn sie erst dort waren: wöchentlich die Hälfte ihrer Löhne, bis die
Schuld beglichen war. Ruslans Cousin organisierte alles.
    Im März trafen sie in der Nähe der Grenze zu Inguschetien mit einer
Gruppe von dreißig weiteren Ausreisewilligen zusammen. Sie wurden in den
Laderaum eines Sattelzugs verfrachtet, wo sie sich hinter einer gefälschten
Rückwand aus dünnem Holz zusammendrängten. Jeder musste dem Fahrer eintausend
Euro Anzahlung geben. Dann saßen sie dicht an dicht da und warteten darauf,
nach Irland gebracht zu werden.
    Die Fahrt über kauerten sie im Dunkeln. Natalia wusste nicht, ob sie
nach Osten zum Kaspischen Meer oder nach Westen zum Schwarzen Meer fuhren, doch
innerhalb eines Reisetages erreichten sie eine Küste. Selbst im Lastwagen
rochen sie die Veränderung, die salzhaltige Seeluft. Als sie anhielten, hörten
sie Möwenschreie.
    Natalia merkte, dass der Lastwagen auf ein Schiff fuhr. So tief im
Bauch des Schiffes, auf engstem Raum zusammengedrängt, wirkte sich das Stampfen
und Schlingern besonders stark aus, und viele, besonders die Kinder, waren
beinahe während der gesamten Überfahrt seekrank. Man hatte ihnen fünf Flaschen
Wasser und einen Laib Brot gegeben. Am zweiten Tag schmeckte das Wasser bitter
nach Erbrochenem. Von da an lehnte Natalia ab, wenn man ihr einen Schluck zu
trinken anbot, bis zum vierten Morgen, wie sie schätzte (es gab keine Fenster,
kein Licht in ihrem Verschlag, Tag und Nacht wurden austauschbar). Dann befand
der Lastwagen sich wieder auf festem Boden.
    Sie fuhren noch einmal über Wasser, diesmal dauerte die Überfahrt nur
ein, zwei Stunden. Wenige Stunden später kamen sie schließlich am Ziel an, über
fünf Tage nach der Abfahrt.
    Sie spürte, wie der Lastwagen anhielt. Die Fahrertür wurde zugeknallt,
dann hörte sie draußen Stimmen und das Quietschen der Türen zum Laderaum, als
diese geöffnet wurden. Im Dunkeln lauschten sie und die anderen, während die Ladung
beiseitegeschoben wurde. Was, wenn man sie erwischt hatte? Was, wenn dies die
Einwanderungsbeamten wären?
    Als sie den Mann, der im Eingang erschien, zum ersten Mal sahen, waren
sie sicher, dass man sie erwischt hatte, denn er hielt eine Waffe in der Hand.
Einige der Kinder schrien, bis er die Waffe über den Kopf hob und ihnen auf
Russisch zubrüllte, dass sie in Irland angekommen seien.
    Es wurde bereits dunkel, als sie aus dem Lastwagen stiegen und, jeweils
eine Familie nach der anderen, zu einem alten Bauernhaus geführt wurden.
Natalia stürzte, als sie versuchte zu gehen, ihre Muskeln waren verkrampft und
außer Übung, nachdem sie so lange in einer einzigen Haltung verharrt hatte. Ein
Mann deutete auf die Giebelwand des Hauses. Im Putz, der mit rostfarbenen
Rückständen befleckt war, befanden sich diverse kleine Löcher.
    Im Haus sprach ein Mann auf Russisch mit ihr und ihrem Mann. Mit einer
Digitalkamera machte er Fotos von ihnen, dann schickte er sie zu den anderen in
die Küche, wo sie warten sollten. Auf einem Teller lagen Schokoladentafeln, die
sie gierig verschlangen. Als der Mann einige Stunden später zurückkam, reichte
er jedem einen gefälschten Führerschein und einen Pass. Der neue Name ihres
Mannes lautete Joseph Mackey, ihrer war Anna McIlwee.
    Eine Viertelstunde später wurden sie und drei weitere Familien mit
einem Wagenkonvoi abgeholt. Unterwegs gab man ihnen Anweisungen. Man würde

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