Bluthochzeit in Prag
Konferenztisch liegen sah. Und wenn sie mich später nach Sibirien verbannen … ich breche dem Hundesohn den Hals!
»Sie können deutsch?« fragte der Bürgermeister. Muratow nickte.
»Ja.«
»Wer ist das Mädchen?«
»Ich weiß es nicht. Es rannte durch den Sperrbezirk unseres Lagers. Es wurde verletzt. Nicht von uns … es fiel auf einen Stein. Sehen Sie sich das Bein an, Towarisch. Und plötzlich bekommt sie so hohes Fieber. Auf Befehl von Major Peljanow haben wir sie hierhergebracht. Sie müssen sofort einen Arzt rufen!«
»Er ist schon unterwegs. Wer ist das Mädchen?«
»Weiß ich es?« Muratow hob die Schultern. »Sie sagt, bei einer Tante ist sie hier zu Besuch.« Er beugte sich über das glühende Gesicht Irenas, nahm sein Taschentuch, entfaltete es und wischte ihr damit die Schweißtropfen von der Stirn.
Der Bürgermeister und die anderen Männer von Horni Vltavice blickten sich kurz an. Nie gesehen, dieses Mädchen. Das mit der Tante stimmt also nicht. In Horni weiß jeder vom anderen, ob er Besuch hat. Und wenn es außerdem ein so hübsches Mädchen ist, wissen es vor allem die Burschen. Aber dieses kranke Vögelchen hier auf dem Tisch war völlig unbekannt.
Warum hatte sie gelogen? Oder log der sowjetische Offizier?
Der Bürgermeister tat so, als sei alles in Ordnung und wartete auf den Arzt.
Leutnant Muratow atmete auf, als der Arzt aus Kralovice, der Chirurg für die Behandlung Luceks, endlich erschien. Der junge Doktor warf einen Blick auf Irena und winkte energisch mit beiden Händen.
»Alles raus!« rief er. »Es braucht mir keiner zu helfen, raus, sag ich!«
Die Männer von Horni verließen das Ratszimmer, nur Muratow blieb zurück. Der Arzt sah den sowjetischen Offizier böse an und zeigte mit ausgestrecktem Arm zur Tür.
»Dawai, parutschik!«
»Oh, Sie sprechen russisch?« sagte Muratow glücklich. »Wie geht es ihr? Ist es schlimm? Wird sie überleben? Kann ich nicht helfen?«
»Nein!« Der Arzt begann, Irena zu entkleiden. »Raus mit Ihnen!«
Muratow verließ mit gesenktem Kopf das Zimmer. Draußen standen die Männer herum, der Bürgermeister und der KP-Sekretär stritten sich darüber, ob man den Kreissekretär anrufen sollte. Ihr Gespräch verstummte sofort, als Muratow aus dem Zimmer kam. Der Sektionsleiter der ›Civilni obrana‹ trat nahe an den jungen Leutnant heran. Er zitterte vor Aufregung.
»Wenn es sich herausstellt«, sagte er, »daß ihr mit dem Mädchen Schweinereien getrieben habt, kann ich meine Leute draußen nicht mehr halten. Dann nutzt Ihnen auch Ihre Pistole nichts mehr. Wir hängen nicht am Leben, wenn wir Ihres dafür bekommen können. Sagen Sie ehrlich, was mit dem Mädchen ist.«
»Es ist krank.« Muratow wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich schwöre Ihnen, sie war bei uns in den besten Händen. Wir haben sie gepflegt bis das verdammte Fieber kam …«
O Lobotkin, dachte er. Dir den Schädel zu spalten, ist viel zu milde. Kastrieren sollte man dich vorher und dir Pfeffer in die Wunde streuen, bis du vor Wahnsinn die Wände hochkletterst. Was hast du aus meinem blonden Engelchen gemacht …
»Es wird sich bald alles klären.« Der Sektionsleiter schnaufte durch die Nase. »Bete zu Gott, daß du die Wahrheit sagst, Russe –«
Im Konferenzzimmer hatte der Arzt den Oberkörper Irenas entblößt, hörte das Herz ab und gab ihr eine kreislaufanregende Injektion. Für einen Augenblick bewunderte er die Schönheit und das Ebenmaß ihrer jungen Brüste, denn ein Arzt ist auch nur ein Mann, auch wenn er täglich vielfältige Formen sieht. Dann konzentrierte er sich ganz darauf, Irena aus der Bewußtlosigkeit zurückzuholen. Er gab gegen das Fieber, dessen Ursache er nicht bestimmen konnte, vorsorglich noch eine Antibiotika-Spritze und rieb dann die Stirn und die Brust Irenas mit Eau de Cologne ein.
Das Erwachen Irenas war völlig undramatisch.
Sie schlug die Augen auf, sah sich in einem fremden Raum, ein unbekannter Mann beugte sich über sie, ein Zivilist, also kein Russe, und der Fremde sagte mit einer gütigen Stimme:
»Na endlich, mein Fräulein! Zurück von der Reise ins Nichts? Sie liegen auf dem Konferenztisch von Horni Vltavice, und ich bin Dr. Houbek aus Strakonice. Bleiben Sie ruhig liegen … der Bürgermeister braucht im Augenblick den Tisch nicht. Es werden heute keine Beschlüsse gefaßt.«
Und Irena lächelte schwach, wirklich, sie lächelte, bewegte die heißen Lippen, Dr. Houbek beugte sich über ihren Mund und hörte sie
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