Bluthochzeit in Prag
machten ein gutes Geschäft, denn die Diskussionen gingen in den Wirtschaften weiter. Aber auch die Burschen vom Stoßtrupp, durchweg kräftige Kerle, die zupacken konnten und den Teufel am Schwanz ziehen würden, machten lange Gesichter, als sie erfuhren, wo Pilnys Sender stand. Sie beugten sich über die Karte und umrandeten rot das Gebiet.
»Da ist noch nie einer gewesen«, sagte Bohumil Kral, der Stoßtruppführer.
»Dann geht eben jetzt ihr als erste hin!« schrie der Bürgermeister. »Oder wackelt euch die Hose? Hexen im Wald gibt's nicht mehr.«
»So ist das nicht, Genosse«, sagte Bohumil zähneknirschend. »Wir hauen uns durch jeden Urwald … aber wie kommen wir ran? Überall die Russen. Na gut, wir kämen schon durch, einzeln, und treffen uns dann irgendwo im Gebüsch … aber wie soll der Doktor durch die sowjetische Absperrung kommen? Mit den Medikamenten, mit der Bahre, auch wenn sie zusammenklappbar ist … und später, wenn wir Lucek gefunden haben, wie kriegen wir ihn wieder heraus? Sind Sie schon mal mit 'ner Bahre unbemerkt durch Tausende von Russen getrabt, Genosse?«
Wie man es drehte und wendete … es gab keine Möglichkeit. Hinein in den Urwald kam man zur Not noch, aber nie wieder heraus!
Und wenn der Doktor einfach bei Pilny und Lucek blieb?
»Eine gute Idee!« sagte der Parteisekretär, als Dr. Houbek diesen Vorschlag selbst machte. Ein großes Aufatmen ging durch den Raum. Dieses Mal war es der Sektionschef der ›Civilni obrana‹, der eine gute Idee hatte. »Ich werde mit dem Flugplatzkommandanten von Pilsen sprechen. Ich weiß, daß er eine Hubschrauberstaffel versteckt hat. Er soll uns einen leihen, wir fliegen über Pilnys Gebiet und springen ab.«
Doch es wurde noch später Abend, bis man die Zusage aus Pilsen erhielt. Ein Hubschrauber der Armee stand bereit.
»Vier Mann springen!« sagte der Sektionschef. »Der Doktor, der Genosse Sekretär, Bohumil und ein anderer starker Bursche. Heute nacht um zwei Uhr – das ist die beste Zeit – geht's los. Die Libelle landet auf dem Sportplatz. Es soll keiner von uns sagen, wir hätten in den schwersten Tagen unseres Volkes die Nase in den Sand gesteckt …«
An diesem Abend geschah noch manches.
Bei der I. Kompanie des III. Bataillons wurde der Soldat Pjotr Lukanowitsch Tumjaschow als vermißt gemeldet. Seine Kameraden erzählten, er sei im Wald zurückgeblieben. Das letzte, was man von ihm sah, war der alltägliche Anblick, wie ein Mann an einem Baumstamm steht und uriniert.
»Fahnenflucht!« sagte Major Peljanow, der den Fall sofort untersuchte und die komplette I. Kompanie verhörte. »Dieses Land, diese Leute sind wie Gift. Um ganz sicher vor dieser Zersetzung zu sein, sollte man alle vierzehn Tage die Truppen auswechseln. Das ist jetzt der neunte Fall in der Division. Blamabel! Ich befehle, daß morgen früh alle Truppenkommandeure zu mir zur Schulung kommen. Wir müssen der Truppe ein besseres ideologisches Korsett geben!«
So wurde der arme Tumjaschow als Verräter in eine Liste eingetragen. An diesem Abend kehrte auch Leutnant Muratow zurück und mußte erklären, daß Irena Dolgan nicht seine Privathure gewesen sei. Major Peljanow glaubte es nach einer Viertelstunde Gebrüll.
»Sie, mein bester Offizier!« schrie er. »Ihre Beurteilung glänzt wie Speck! Und Sie machen so etwas! Ein Weib im Lager! Was heißt hier Mitleid? Sie hatte runde Brüste, blonde Haare und einen festen Hintern, – das interessierte Sie! Aber vergessen wir das. Ich nehme es nicht in Ihre Papiere auf. Nur lassen Sie sich gewarnt sein, Semjon Alexejewitsch … für einen Offizier ist das Weib einer fremden Nation stets Gift. Was ist mit dem Mädchen los?«
»Es liegt beim Pfarrer und hat das rätselhafte Fieber.«
»Da liegt sie gut.« Major Peljanow winkte ab, als Muratow noch etwas sagen wollte. »Kein Wort mehr! Sie machen morgen Strafdienst! Sie gehen mit dem Holzkommando in den Wald und holen Brennmaterial.«
An diesem Abend sprach Irena mit dem Pfarrer über alles, was sie in den vergangenen Wochen erlebt hatte. »Ich muß zurück zu ihm«, sagte sie immer wieder. »Ich darf ihn nicht allein lassen. Ich gehöre zu ihm …«
»Gott wird Ihre Wege wieder zusammenführen«, sagte der Pfarrer. Dann reichte er Irena ein Glas Orangensaft, in das er vorsorglich ein Schlafmittel gerührt hatte. Das Fieber war in den letzten beiden Stunden rapide gesunken, und Irena schlief glücklich ein, als sie hörte, daß in der Nacht ein Hubschrauber Karel
Weitere Kostenlose Bücher