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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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doch! Brüderchen –‹, aber dazu war es nun zu spät, in seinen Mund drangen Wasser und modernde Erde, er zuckte wild und verlor dann die Besinnung.
    So starb Pjotr Lukanowitsch Tumjaschow, der kleine Reiter aus der Kirgisensteppe.
    Als alles vorbei war, trug Pilny ihn zurück zu den Höhlen, in denen Michael Lucek lag und phantasierte. Schon von weitem hörte er ihn … Micha wimmerte wie ein verwundeter Hund und stieß ab und zu unartikulierte Laute aus. Vorsichtig, als könne es ihm noch weh tun, legte Pilny den Russen auf den Boden. Er legte ihn mit dem Gesicht nach unten, denn es war ihm unmöglich, das verzerrte, grüngraue Gesicht des Jungen zu sehen. Dann saß er neben dem Toten, und er fühlte sich wie ein Irrer, der gleich losheulen muß, ungehemmt, laut, hysterisch.
    Karel Pilny brauchte lange Zeit, um über diesen Schock hinwegzukommen und aufzustehen. Er holte von der Ausrüstung ein Leinentuch, in das Teile des Senders gewickelt worden waren, und deckte es über den schlammverkrusteten Pjotr Lukanowitsch Tumjaschow. Dann machte er sich wieder auf den Weg, um zu erkunden, was mit Irena geschehen war.
    Er wußte jetzt: Im Wald liegen russische Truppen. Hatten sie Irena aufgespürt? Hatte man sie weggebracht? Verhörte man sie in irgendeinem Offiziersquartier? War sie als Spionin bereits auf dem Weg zum Divisionskommando in Pilsen? Man kannte ja die Angst der Sowjets vor Spionen und Saboteuren. Auf einen verdächtigen Fremden reagierten sie wie eine Brennessel.
    Pilny schlich vorsichtig durch den verfilzten Wald, nachdem er die Schlucht überwunden hatte. Er gelangte bis zu seinem versteckten Wagen, der zwischen den Büschen stand und mit Zweigen zugedeckt war. Nur durch einen Zufall konnte er gefunden werden. Aber wie schnell Zufälle zur Gegenwart werden, hatte das Auftauchen Tumjaschows in der Schlucht bewiesen.
    Das Auto war unversehrt. Aber der Wind, der von Westen wehte, trug Pilny den Geruch von Brand zu. Das sind Feuer, dachte er. Das sind viele brennende Lagerfeuer. Das riecht nach verbranntem frischem Holz, harzig und beizend.
    Das ist ein großes Lager … das sind die Sowjets …
    Er kroch zurück, bis er außer Sichtweite der Posten war, und lief dann auf seinem alten Urwaldpfad zur Schlucht. Dort überlegte er, ob es eine Möglichkeit gäbe, in entgegengesetzter Richtung aus der Wildnis zu kommen.
    Noch einmal brach Pilny durch unwegsamste Gebiete und seit Jahrhunderten unberührte Waldstücke, er drang in Hohlwege ein und durchkletterte mit Dornenbüschen bestandene Hänge. Nach seiner Karte mußte er bald in einen Teil des Waldes kommen, den man durchforstet hatte, in dem es Wege gab zum Abtransport der Stämme und wo man wieder eintauchte in die Zivilisation.
    Nach vier Stunden erreichte Pilny die Freiheit, trat er aus dem Urwald heraus wie ein Wild, das die Sonne sucht … und wieder versperrten ihm unter Bäumen verborgene sowjetische Wagen und Panzer den Weg. Auf einer großen Lichtung baute man gerade ein Zeltlager auf.
    Pilny trat in die Schatten des dichten Waldes zurück. Nun war ihm alles klar … er war eingekreist. Er lebte mit seinem Freiheitssender mitten in einer sowjetischen Division. Wo der Wald noch begehbar war, schlugen die Russen ihre Lager auf … den Urwald, die Schluchten, die Wildnis mieden sie. Davon hatte man genug in Rußland.
    Ein Fleck Urland, umgeben von sowjetischen Panzern, – das war die Heimat Karel Pilnys geworden.
    Gab es einen besseren Schutz für seinen Sender?
    Aber gab es auch eine schrecklichere Einsamkeit?
    Was geschah, wenn die Batterien verbraucht waren, wenn die Verpflegung aufgegessen war? Woher den Nachschub holen? Wer wußte denn, wie lange die Russen im Lande blieben. So, wie sie hier ihre festen Lager bauten, richteten sie sich auf längere Zeit ein. Es sah nicht so aus, als würden sie nächste Woche wieder abziehen.
    Nachdenklich tauchte Pilny wieder in seinem Urwald unter. Der Sender, die Verpflegung, der todkranke Lucek … das waren große Probleme … aber größer noch wurde die Frage: Wo war Irena geblieben? War sie den Russen in die Hände gelaufen?
    Die Angst um Irena nahm Pilny den Atem. Er blieb stehen, lehnte sich an einen Baum und atmete mit weit offenem Mund wie ein Erstickender.
    Was ist das für ein Leben, dachte er wieder. Miroslava in der Hand der Russen, ihr Schicksal ungewiß. Lucek schwer verwundet und sterbend, schreiend und um sich schlagend im Fieber. Irena verschwunden, – und ein Mensch wurde im Sumpf

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