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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eingerichteten Hotelzimmer. Fast unhörbar glitt sie die Hauswand hinab, nur ein leises Schaben der Schuhsohlen, mit denen sie sich wie ein geübter Bergkletterer abstieß, verflatterte in der Nacht. Die Posten vor dem Eingang des Hotels hörten es nicht oder achteten nicht darauf. Wachen haben laut Reglement die Straße zu beobachten – von in den Himmel sehen steht nichts in der Vorschrift. So konnte Valentina unbehindert eine Etage tiefer klettern, in das Büro des Genossen Tulpanow springen und über die Personaltreppe und den hinteren Lieferanteneingang das Hotel verlassen.
    Eine halbe Stunde später stand sie an der dicken Eichentür des Druckereikellers und hämmerte das verabredete rhythmische Zeichen gegen das Holz. Man öffnete sofort und empfing sie mit großem Geschrei.
    »Ihr lebt!« riefen die Studenten durcheinander. »Wo seid ihr? Warum sendet Pilny nicht mehr? Wo ist Lucek? Braucht ihr Hilfe? Wir suchen euch überall! Miroslava, Mädchen, nun sag doch etwas …«
    Valentina ließ sich auf einen Stuhl fallen und schüttelte den Kopf. Es war eine so hilflose Geste, daß plötzlich Stille im Keller herrschte, nur das ferne Rumpeln der alten Druckmaschine aus dem hinteren Keller durchzitterte den Steinboden.
    »Was ist?« fragte der Stellvertreter Luceks. »Was ist passiert, Miroslava?«
    »Ich bin aus sowjetischer Gefangenschaft geflüchtet.« Sie warf den Kopf nach hinten auf die Stuhllehne und starrte gegen das Kellergewölbe. Jetzt, in der Sicherheit, rann eine bleierne Schwäche durch ihren Körper.
    »Und … und die anderen?«
    »Ich weiß es nicht. Wir wurden auf der Fahrt getrennt. Micha soll verwundet sein …«
    »Das haben wir auch von Pilny gehört. Aber wo sind sie?«
    »Ich habe es notiert.« Valentina griff in ihre Bluse und zog aus dem Büstenhalter einen zusammengeknüllten Zettel. »Sie sind in C 56/21 FB«, las sie vor. »Ist euch das ein Begriff?«
    »Nein.« Die Studenten blickten auf die sinnlosen Zahlen. Sie hatten ebenfalls die Durchsage Pilnys gehört und diese Ortsangabe für ein Versehen gehalten. Nun tauchten die Zahlen bei Miroslava auf.
    »Die Russen rätseln auch, was das bedeutet«, sagte sie müde. »Es muß die Gebietseinteilung auf irgendeiner Spezialkarte sein. Aber niemand weiß, wie diese Karte aussieht.«
    »Es könnte sein«, sagte einer der Studenten, »daß es sich um Kampfräume der ›Civilni obrana‹ handelt. Mein Vater ist Abschnittsleiter. Aber vergeßt, daß ich euch das gesagt habe. Selbst ich als Sohn darf es nicht wissen –, ich habe es nur durch Zufall erfahren. Vielleicht kann mein Vater uns sagen, was das bedeutet. Wenn es um Lucek geht, sollte man solche Geheimnisse beiseite schieben. Ich fahre sofort nach Hause und frage meinen Vater.«
    Eine Stunde später betrat Ladislav Sasek, der Vater des jungen Philosophiestudenten, den Druckereikeller. Valentina schlief in der Ecke auf einer Liege und wurde sofort geweckt.
    »Ich kann euch helfen«, sagte Sasek und sah sich im Kreise der Studenten um. »Ich dürfte es nicht, denn was ihr gleich sehen werdet, kennen nur wenige Männer in unserem Land. Doch mein Sohn hat so gebettelt … und außerdem geht es um ein Menschenleben.«
    Sasek holte aus dem kleinen Koffer, den er mitgebracht hatte, einen Diaprojektor und stellte ihn auf den Tisch. Er probierte ihn gegen die getünchte Wand aus und sah, daß es ein leidlich deutliches Bild wurde. Dann schob er ein Dia ein und stellte das Bild so klar wie irgend möglich ein.
    Eine Landkarte erschien in dem großen, hellen Rechteck an der Kellerwand. Sie zeigte die böhmischen Wälder, die Grenze nach Deutschland und Osterreich und war in Quadrate und Zahlen eingeteilt. In die Stille hinein ertönte plötzlich der Aufschrei Valentinas.
    »Da ist es! Da! C 56/21 FB! Da!«
    Sie sprang vor, unterlief den Lichtstrahl, kniete sich vor die Kellerwand und legte den Finger auf eine Stelle nahe der deutschen Grenze. Gebannt starrten die Studenten auf das helle Kartenbild.
    »Ja, da ist es«, sagte Sasek ruhig. »Die wildeste Gegend Böhmens. Urwald, Schluchten, Sümpfe, Felsen, Höhlen.«
    »Und dort … dort ist Micha?« stammelte Valentina. Sie blickte auf das kleine Planquadrat und streichelte mit der Hand darüber, als sei es Luceks Wange.
    »Wenn Pilnys Angaben stimmen … ohne Zweifel.« Die Karte verschwand von der Wand, nur das große helle Rechteck blieb. »Mehr kann ich euch nicht bieten, Jungs. Aber vergeßt eins nicht: Was ihr gerade gesehen habt, ist eines

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