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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sender Pilsen. Sie verlas einen Aufruf. Muratow und auch Valentina blickten sich erschrocken an … dann übernahm ein Tscheche die Meldung und las sie langsam vor:
    Das Ministerium für Staatssicherheit gibt bekannt: Der Rundfunkreporter von Radio Prag, Karel Pilny, der Student der Medizin Michael Lucek, zuletzt in Prag, und die deutsche Studentin Irena Dolgan, wohnhaft in Prag, werden zu Staatsfeinden erklärt. Jedermann wird aufgefordert, diese Personen sofort zu verhaften, wo sie sichtbar werden; bei Widerstand ist Waffengebrauch gestattet. Alle Anzeichen deuten daraufhin, daß die drei versuchen, die deutsche Grenze nach Bayern zu überschreiten. Es ergeht daher besonders an die Bewohner der Grenzorte, an Polizei, Gendarmerie, Armee und die sowjetischen Freunde die Aufforderung, besonders wachsam in den Grenzstreifen zu sein.
    Pilny schaltete ab. Die Meldungen, die jetzt folgten, waren uninteressant. Auch er war blaß geworden … es kostete Nerven, sein Todesurteil zu hören und zu wissen, daß man ab sofort gejagt wird wie ein Wild.
    »Jetzt sind wir vogelfrei!« sagte Lucek leise. »Jetzt wissen wir es offiziell. Es gibt keinen Weg mehr zurück … es gibt nur noch einen vorwärts. Wißt ihr, was das bedeutet?«
    »Ja.« Pilny legte den Arm um Irena. Sie zitterte plötzlich. »Der Weg nach Westen! Über die deutsche Grenze … wie sie es sagen.«
    »Sie werden die Grenze abriegeln wie mit einer stählernen Mauer.« Lucek sah Valentina an. Sie hatte die Haare mit beiden Händen gefaßt und drehte sie im Nacken zusammen.
    »Dann werden wir uns wie die Mäuse einen Gang unter diese Mauer wühlen«, sagte sie.
    »Oder wir werden gemeinsam sterben!«
    »Auch das.« Sie nickte, als stimme man ab, wer die Karten mischen soll. »Wann brechen wir auf?«
    »Wenn Micha sich stark genug fühlt«, sagte Pilny.
    »Ich fühle mich stark genug. Seht her!« Er richtete sich auf, kam auf die Beine und stand schwankend vor ihnen. Mit zitternden Knien machte er ein paar Schritte, aber nach wenigen Metern knickte er ein und sank auf den Waldboden. Valentina lief zu ihm, packte ihn unter den Schultern und half ihm, die wenigen Schritte wieder zurückzugehen. Mit verzerrtem Lächeln setzte sich Lucek auf die Decke. »Morgen klappt es bestimmt besser. Ich werde üben … üben … ich habe auch gar keine Schmerzen mehr …«
    Sein verzerrtes Gesicht strafte ihn Lügen. Aber sie sagten es ihm nicht … sie blickten an ihm vorbei und wußten, daß es ein Marsch werden würde, der quer durch die Hölle führte.
    »Morgen!« sagte Lucek noch einmal. »Morgen geht es! Die paar Kilometer bis zur Grenze. Ich … ich freue mich auf Deutschland …«
    Dann sank sein Kopf plötzlich nach vorn, und er weinte wie ein kleines Kind. Valentina nahm seinen Kopf in beide Hände, küßte ihm die Tränen von den Wangen und umarmte ihn.
    Morgen –
    Sie wußten nicht, daß Andrej Mironowitsch Tschernowskij noch eine zweite Überraschung für sie bereithielt.

XIV
    Den Rest des Tages machte Lucek Gehversuche. Es war Wahnsinn, alle wußten das, aber keinem gelang es, ihn zu überzeugen, daß er seine wenigen, wiedergewonnenen Kräfte durch diese Anstrengungen vergeudete. Selbst Valentina gab es schließlich auf, ihn zu bitten und anzuflehen, sich wieder hinzulegen und abzuwarten, bis die Natur von selbst die Voraussetzung schaffte, weiter als ein paar Meter zu wanken.
    »Es wird gehen!« keuchte Lucek verbissen. »Morgen bin ich viel kräftiger! Verdammt, glaubt es mir doch! Ich habe euch schon genug zur Last gelegen, alles ist anders gelaufen, als es sollte, und ganz allein durch meine Schuld. Sollen wir jetzt auch noch in die Zuchthäuser oder sogar nach Sibirien wandern, nur weil ich schlappmache? Morgen brechen wir auf … morgen nacht, spätestens –«
    Da er nicht zu beruhigen war, stimmte Pilny schließlich zu. »Gut«, sagte er. »Morgen nacht brechen wir auf. Wir lassen alles zurück bis auf einen Transistor und ein kleines Handfunkgerät. Wenn wir um Mitternacht losmarschieren, können wir beim Morgengrauen schon in Bayern sein.«
    Lucek nickte. Die beiden Mädchen blickten Pilny aus den Augenwinkeln an … sie wußten, daß alle Pläne bis jetzt nur theoretische Überlegungen waren. Auch in der kommenden Nacht würde Lucek nicht fähig sein, die mühsamen Kilometer durch Urwald und Gebirge bis zur Grenze durchzuhalten und dann das schwerste Stück, den breiten Todesstreifen zu überwinden.
    Leutnant Muratow saß unterdessen vor der Höhle,

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