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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Pilny hatte Lucek schon zwei Spritzen gegen den immer niedriger werdenden Blutdruck gegeben. In dem abgeworfenen Not-OP und der Apotheke fand er alles, was er brauchte.
    »Warum schleppst du eigentlich einen Russen mit, Irena?« fragte Lucek. »Hattest du Angst, der böse Wolf könnte im Wald Rotkäppchen fressen?«
    »Er liebt mich«, antwortete Irena kurz.
    Pilny starrte Irena entgeistert an. »Das … das ist doch ein Witz, nicht wahr?« sagte er endlich heiser.
    »Nein. Er ist mitgegangen, weil er mich liebt. Er wußte nicht, wohin ich ging, und trotzdem ist er mitgekommen. Er hat seine Truppe, seine Karriere, sein Rußland, seine Mutter, die er über alles liebt, verlassen, nur um bei mir zu sein. Ich konnte ihn nicht wegschicken, er war wie mein Schatten … ich hätte ohne ihn nie zu euch zurückkehren können.«
    »Und wenn er gleich aufwacht … er wird sich verdammt wundern.«
    »Davor habe ich Angst.« Irena sah Pilny flehend an. Sein Gesicht war hart und fremd, wie sie es noch nie gesehen hatte. Entschlossenheit und Erbarmungslosigkeit sprachen aus ihm. Das erschreckte sie bis ins Herz.
    »Du … du tust ihm nichts …«, sagte sie leise. »Versprich mir, daß du ihn gut behandelst.«
    Lucek saß jetzt und lehnte an der Felswand. »Wenn er Ärger macht, müssen wir ihn ruhig halten.«
    »Was versteht ihr unter ›ruhig halten‹?«
    Pilny und Lucek wechselten schnell einen Blick und schwiegen. Für Irena war es Antwort genug.
    »Er ist ärmer als wir«, sagte sie laut. »Stundenlang hat er mir erzählt, wie er sich mit seinem Gewissen herumquält. Er hat begriffen, wie man ihn belogen hat; er hat erkannt, wie falsch alles ist, was man ihm von Kindesbeinen an beigebracht hat; er hat sehen und hören und denken gelernt … hier, in diesem Land! Und ihr wollt ihn dafür bestrafen?« Sie trat nahe an Pilny heran und blickte ihm in die ausweichenden Augen. »Denkst du noch daran, Karel, wie ich dich zum ersten Mal mitnahm in den geheimen Keller? Damals wußte auch keiner von uns, wie du denkst, und sie schoben mich in den hinteren Keller, weg von dir, während sie dich verhörten. Damals habe ich geschrien und gedroht, alles zu verraten, wenn man dir nur ein Haar krümmt, und als du zurückkamst und Micha sagte: ›Er ist unser Freund!‹, da habe ich aufgeschrien und bin dir um den Hals gefallen. Weißt du das noch?«
    »Wie heute«, sagte Pilny heiser. »Es war der Augenblick, in dem ich wußte, daß du mich liebst. Wie könnte ich das je vergessen?«
    »Mit Muratow ist es nicht anders … nur komplizierter. Er hat sein bisheriges Leben hinter sich gelassen und wird nun auch mich aufgeben müssen. Was besitzt er dann anderes als unsere Freundschaft? Er ist jetzt der ärmste Mensch auf der Welt.«
    Pilny gab Irena einen Kuß auf die Lippen. Er spürte dabei, wie sie zitterten. Das machte ihm das Herz merkwürdig schwer. »Er … er bedeutet dir etwas?« fragte er stockend.
    »Nicht als Mann … nur als Mensch.« Sie lehnte den Kopf an seine Brust und war plötzlich wieder wie ein hilfloses, junges Mädchen. »Was bin ich ohne dich, Karel … Wäre ich sonst zurückgekommen?«
    Wenig später wachte Muratow auf. Man hörte ihn in der Höhle rumoren. Er versuchte, seine Fesseln abzustreifen und fluchte vor sich hin.
    In eine Falle sind wir geraten, dachte er. Man hat mich niedergeschlagen. Was aber ist mit Irena geschehen? O heilige Mutter von Kasan, wo ist sie? Wer sind die Lumpen, die uns überwältigt haben?
    Er zerrte an den Stricken, aber soviel Kraft ihm auch die Angst um Irena gab, die Fesseln saßen gut und ließen sich nicht von den Gelenken scheuern.
    Es dauerte ziemlich lange, bis Pilny aus der Höhle wieder ans Licht kam. Irena saß neben dem Gaskocher auf der Erde und rührte in einem Topf mit Gulasch. In dem Verpflegungssack, den man abgeworfen hatte, lagen noch andere Köstlichkeiten. Sie ließ den Löffel in den Kessel rutschen, als sie Pilny sah.
    »Nun?« riefen sie wie aus einem Mund.
    »Er weiß alles«, sagte Pilny ernst. Er setzte sich neben das Funkgerät und starrte in den Wald. »Jetzt will er allein sein. Er weint –«
    Einen Moment war es still zwischen ihnen, dann sagte Lucek: »Und wie soll es weitergehen?«
    »Er muß bei uns bleiben, bis wir wieder aus der Wildnis herausdürfen. Dann kann er hingehen, wohin er will.«
    »Ins Nichts –«, sagte Irena heiser.
    »Das weiß er jetzt.«
    »Ist er noch gefesselt?«
    »Natürlich. Daran wird nichts geändert. Er ist unser

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