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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zögerte noch, aber dann sagte er: »Muratow, ich habe Ihr Ehrenwort als Offizier, daß Sie nicht weglaufen?«
    »Sie haben es, Genosse.«
    Pilny bückte sich und löste die Stricke von Muratows Handgelenken. Semjon Alexejewitsch streckte die Arme nach vorn und rieb sich die Hände. Sein Blick war erschütternd.
    »Ich danke Ihnen –« sagte er gepreßt. Dann stand er auf, sah hochaufgerichtet noch einmal in den blauen Sommerhimmel und kroch dann zurück in die feuchte, muffige, dunkle Höhle … wie ein Tier, das sich einen Platz zum Sterben sucht.
    »Ich danke dir, Karel«, sagte wenig später auch Irena, als Pilny ihr beim Packen der Rucksäcke half. »Er ist ein Mensch, den man nicht fesseln sollte …«
    »Das weiß ich jetzt auch … irgendwie haben wir alle von den Dingen eine falsche Vorstellung. Es ist gut, wenn man sie berichtigen kann …«
    Auf dem freien Platz vor der Kochstelle übte Lucek noch immer das Gehen. Valentina schleppte ihn vorwärts, es waren kaum noch seine eigenen Schritte. Aber er war glücklich.
    »Es geht!« rief er immer wieder. »Liebling, – es geht ja! Es wird immer besser.«
    Ein Anblick war's, der einem das Herz zerriß.
    *
    Tschernowskij hatte es bei der Division in Pilsen durchgesetzt, daß ein Kriegsgericht gebildet wurde. Vergeblich hatte der im Herzen weiche Major Peljanow versucht, den starrsinnigen Oberst aus Moskau umzustimmen. Aber Tschernowskij wollte nicht warten. Für ihn war es sicher, daß Leutnant Muratow sich bei Irena befand und Irena wiederum bei Pilny. Wo aber Pilny war, waren auch Lucek und Valentina. Der Kreis schloß sich also immer wieder, und Tschernowskij war nicht gewillt, durch irgendwelche Gefühle weichlicher Genossen sein eigenes Gefühl der Rache abzudämpfen.
    »Ein Exempel muß statuiert werden, Genossen!« schrie er im Divisionsstab die zögernden Offiziere an. »Die Truppe muß an diesem Beispiel erkennen lernen, daß Disziplinlosigkeit in der Roten Armee ein Verbrechen ist, das größte Verbrechen überhaupt, das ich kenne! Nur mit Disziplin erreichen wir unsere großen Ziele! Hier muß ein Urteil gefällt werden, das den Namen Muratow zum Inbegriff des Verräters macht!« Und als er sah, daß die Offiziere noch immer zögerten, setzte er sich, streckte die Beine aus und sagte genußvoll: »Oder wollen Sie, Genossen, daß ich den Fall nach Moskau gebe an das Kriegsministerium mit der Begründung, ein sowjetisches Kriegsgericht benimmt sich wie eine Alte-Tanten-Kaffeerunde?«
    Die Offiziere verzichteten auf weiteren Widerstand. Moskau, Kriegsministerium, Untersuchungen durch die politischen Stellen, Verhöre, Meldungen, Berichte, Argwohn, Eintragungen in die Beurteilungsbogen … den ganzen Zauber Moskauer Gründlichkeit kannte man. Der Satan hole alle Tschernowskijs. Nicht umsonst – so sagt man – sind beim KGB nur Menschen, die statt eines Herzens eine faulende Kartoffel in der Brust tragen.
    Und so trat an diesem Tage um die Mittagszeit in Pilsen das schnell gebildete Kriegsgericht der Division zusammen, um über den fahnenflüchtigen Leutnant Semjon Alexejewitsch Muratow aus Kiew zu richten.
    Major Peljanow hatte die Verteidigung übernommen; das war allerdings nur eine dumme Formsache, denn man ließ ihn kaum zu Wort kommen, und er hatte als Verteidiger nur zu sagen: »Muratow war mein bester Offizier. Ein Weib hat ihm den Kopf verdreht. Genossen, wir sind auch nur Männer … gestehen wir uns also ein, daß so etwas vorkommen kann. Eine hübsche Brust, ein schwingender Hintern, – und wir jaulen wie die Hunde! Ich beantrage Milde für Semjon Alexejewitsch –«
    Das Kriegsgericht kannte keine Milde. Die Augen Tschernowskijs, und damit die Augen des Kreml ruhten auf den Richtern. Und diese Augen verlangten Strafe, Erbarmungslosigkeit und Vernichtung.
    Um 14.12 Uhr wurde das Urteil verlesen. Schon nach den ersten Worten verließ Major Peljanow das Zimmer. Es war ihm unmöglich, den ganzen Wortlaut zu ertragen.
    … wird, der Leutnant des III. Garde-Panzerbataillons Semjon Alexejewitsch Muratow wegen erwiesener Fahnenflucht in einem kriegsähnlichen Zustand des Einsatzes zum Soldaten degradiert, aus der Roten Armee ausgestoßen und zum Tode durch Erschießen verurteilt …
    Vor dem Haus des Divisionsstabes trat Major Peljanow mutig Tschernowskij in den Weg, als dieser seinen Wagen besteigen wollte, der ihn zurückbrachte nach Horni Vltavice.
    »Ist Ihnen nun wohler, Genosse Oberst?« fragte Peljanow, heiser vor innerer Erregung.
    »Viel

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