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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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würde ihnen neue Kleider geben, Wäsche und Schuhe. Pilny zählte das Geld, das er noch besaß … es waren zweitausend Kronen.
    »Ich habe noch neunzig Mark«, sagte Irena. »Eigentlich brauchen wir gar nichts. Ich werde sofort vom nächsten Telefon Paps anrufen.«
    »Geben wir das Geld Semjon Alexejewitsch.« Pilny nahm fünfzig Mark von Irena und legte sie auf seine tschechischen Kronen. Dann schob er Muratow die Geldscheine in die Tasche. »Du wirst sie gebrauchen können. Ich nehme an, daß man uns vorerst trennt. Sie werden dich drüben verhören und zum Propagandaobjekt machen. Sowjetischer Offizier flieht aus Gewissensqual! Der Rummel wird ein paar Tage dauern –«
    »Ich werde nichts sagen, gar nichts!« murmelte Muratow dumpf. »Oder doch … ich werde ihnen sagen: Ich liebe mein Rußland! Ich werde es immer lieben! Wo ich auch leben werde … ich bin der unglücklichste Mensch. Das können sie dann veröffentlichen.« Er wandte den Kopf zu Irena. Seine großen blauen Kinderaugen waren unendlich traurig. »Wir werden uns nicht wiedersehen, Irenuschka?«
    »Was redest du, Semjon! Wir holen dich nach Braunschweig, sobald die Verhöre vorbei sind. Das weißt du doch.«
    »Ja.« Muratow nickte. Was sollte er anderes sagen? Wer verstand ihn? Ein Russe ohne Rußland ist ein Wesen ohne Blut. Wer konnte das jemals begreifen, wenn er kein Russe war?
    »So geht es nicht!« sagte plötzlich Pilny, heiser vor Erregung. »Es ist verantwortungslos, was wir tun! Nur ein paar Kilometer von hier könntest du bei Eisenstein ungehindert über die Grenze. Du bist eine Deutsche, niemand wird dich aufhalten –«
    »Fängst du schon wieder damit an?«
    »Es ist völlig unmöglich, mit dir durch den Todesstreifen zu rennen«, sagte Pilny rauh. »Begreif es doch!« Er wischte sich über das Gesicht und spürte, wie der Schweiß an ihm herunterlief. »Ich mache dir einen Vorschlag: Du gehst zurück bis zur Straße. Dort wird dich sicherlich ein Wagen mitnehmen zur Grenze. In Deutschland treffen wir uns dann … in Frauenau.«
    »Und ich werde dort warten und warten … und keiner kommt … Vielleicht werde ich nur hören: Zwei unbekannte Russen wurden an der Grenze von den eigenen Leuten erschossen –«
    »Aber du lebst! Du!« schrie Pilny. »Das ist das Wichtigste.«
    »Nein, das Wichtigste sind wir. Wir, Karel, nicht ich allein!«
    »Darum sollten wir getrennt über die Grenze, Irena!« Karel steckte die Hände in die Taschen der russischen Uniformhose. Sie zitterten so stark, und Irena sollte das nicht sehen. »Es ist einfacher, wenn wir Männer hier durchbrechen und du wie ein Tourist unser Land verläßt.«
    »Vielleicht wäre es einfacher gewesen.« Irena Dolgan legte sich zurück. Ihr kahl geschorener Kopf wirkte wie abgehackt auf dem Waldboden. Ein geschlechtsloser Schädel … nur von den Schultern ab sah man, daß es ein Mädchen war. »Aber es geht nicht mehr.«
    »Wieso geht es nicht mehr?«
    »Ich habe nur noch die sowjetische Uniform. Alles andere liegt bei den ersten Rucksäcken –«
    »Du hast kein Kleid mehr bei dir?« Pilnys Augen wurden weit vor Schrecken. »Du hast nur die Uniform?«
    »Nichts mehr als das.« Sie nickte und lächelte Pilny an, als sei sie stolz auf einen guten Streich. »Soll ich so in Eisenstein über die Straße gehen?«
    »Mein Gott!« Pilny stieß Muratow an. »Hast du das gehört? Sie hat alle Kleider weggeworfen. Wann denn?«
    »Als wir die Uniformen anzogen.« Sie setzte sich mit einem Schwung hoch. »Reden wir nicht mehr davon. Und wenn ihr glaubt, ich hätte Angst … nicht einen Funken Angst habe ich. Ich bin ruhig … ganz ruhig … Seht euch das an.«
    Sie streckte die Arme weit aus und hielt ihnen die Hände hin. Mit den Handflächen nach unten saß sie da, und ihre schönen Augen lachten.
    »Sie zittern nicht … seht ihr das … nicht ein bißchen zittern sie. So ruhig bin –«
    Pilny dachte an seine bebenden Hände, die er vor Irena in den Hosentaschen verbarg, und atmete tief auf. Fast ein Stöhnen war's.
    »Es soll also sein! Mich soll Gott verfluchen, wenn es schiefgeht!«
    *
    Bei ihrem letzten Spähgang beobachteten Pilny und Muratow etwas Überraschendes.
    Sechs russische Soldaten bewegten sich in Schlangenlinien durch den Sperrgürtel auf den letzten Drahtverhau zu. Dort aber, wo eine Gruppe von Baumstümpfen in der Erde saß wie eine Versammlung geduckter Zwerge, blieb der Trupp stehen und hob ohne Schwierigkeit ein Stück des Zaunes von drei Metern Breite aus der

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