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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lauschte auf Irenas ruhige Stimme. Sie hatte schnell gelernt, wie man sprechen mußte, – nicht zu hastig, klar akzentuiert, in kurzen, knappen Sätzen. »Die wichtigsten Instrumente baue ich aus, vor allem den Notsender. Wenn jeder von uns etwas trägt, können wir eine perfekte Ausrüstung mitnehmen.«
    »Du willst den Wagen hierlassen?«
    »Ja, glaubst du, den bekommen wir noch raus?«
    »Wir müssen es versuchen.«
    »Ein Fleischerwagen ist kein Panzer, Micha.« Pilny schüttelte energisch den Kopf. »Zu Fuß kommen wir jetzt besser weg.«
    »Trotzdem! Die wertvollen Geräte hierlassen?« Lucek lehnte sich gegen den Funkwagen. Draußen, in ihren großen Käfigen, brüllten die Löwen, Tiger und Leoparden. Die Tiere waren unruhig, warfen sich gegen die dicken Eisenstangen der Gitter und hieben mit den Pranken an die Wände. Ihr feiner Raubtierinstinkt signalisierte ihnen die Gefahr. So still es auch im Zoo war … sie spürten, daß etwas Außergewöhnliches auf sie zukam. »Ich mache dir einen Vorschlag, Karel … du und Irena versucht durch den Abwasserkanal ins Freie zu kommen … und ich bringe den Wagen raus.«
    »Aber Miroslava?«
    »Wie ich sie kenne, bleibt sie bei mir. Sie kann sich hinten im Wagen flach auf den Boden legen.«
    »Du bist wahnsinnig, Micha! Ihr kommt nie durch!«
    »Ich rechne mit dem Moment der Überraschung. An alles denken die Sowjets, nur nicht daran, daß der Funkwagen genau auf sie zukommt. Bin ich erst mal durch eins der Tore, hält mich keiner mehr auf.«
    »Sie schießen dich zusammen!«
    »Dazu haben sie kein Recht. Ich weiß, daß sie keine Gewalt anwenden dürfen. Ein Offizier hat es mir vor dem Funkhaus gesagt.«
    »Und die Toten? Sind sie vor Schreck umgefallen?«
    »Hör auf!« Lucek wandte sich ab. Es ging jetzt um mehr als um Vorsicht oder irgendwelche hemmende Bedenken. Der Funkwagen … das war sein einziger Gedanke. »Es bleibt dabei … du nimmst deinen Notsender und schaffst ihn mit Irena raus … ich breche mit dem Karren durch. Vielleicht ist es einfacher als wir denken.« Er lachte plötzlich und klopfte mit den Fäusten gegen die Karosserie. »Rindsköpfe und Schinken … diese Bilder zaubern bei jedem Russen Verträumtheit in die Augen. Wer denkt schon daran, daß hier ein kleines Funkhaus durch die Gegend rollt? Wo treffen wir uns?«
    »An der Pilsener Chaussee. Kennst du die Obstplantage?«
    »Ja.«
    »Dort ist eine Bushaltestelle. Wer zuerst da ist, wartet.«
    »Das werde ich sein. Ihr wollt doch nicht zu Fuß dorthin?«
    »Nein. Am Kanalausstieg hat der Oberwärter seinen Wagen hingestellt. ›Nehmen Sie ihn‹, hat er zu mir gesagt. ›Und wenn Sie ihn auch nicht wiederbringen … für unser Land ist es das geringste Opfer. Wenn es nur hilft, die Russen wegzujagen –‹« Pilny sah wieder auf die Uhr. Die Tür des Raubtierhauses wurde wieder aufgerissen, ein Gärtner, schweißtriefend vom schnellen Laufen, steckte den Kopf in den Käfiggang.
    »Sie kommen!«
    »Aus welcher Richtung?« rief Pilny zurück.
    »Vom Hauptportal.«
    »Haltet sie noch eine Viertelstunde auf! Solange brauche ich noch.«
    »Wenn's sein muß eine halbe Stunde. Sie haben ja noch keine Ahnung, wo ihr steckt. Und von uns bekommen sie keinen Ton heraus.«
    »Dann los!« Pilny kletterte in den Wagen, küßte Irena, die gerade eine Meldung verlas, daß bulgarische Truppen bereits mit Plünderungen von Geschäften begonnen und polnische Soldaten sich geweigert hatten, gegen die Freunde der CSSR Gewalt anzuwenden, und schob sie dann weg. Er nahm selbst das Mikrofon und sagte mit ruhiger Stimme:
    »Hier spricht der Sender ›Freies Prag‹, hier spricht Karel Pilny. Der Russe steht kurz vor unserem Versteck. Wir schalten ab und versuchen, uns zu retten. Wir kapitulieren nicht … wir wechseln nur unseren Standort. Freunde in aller Welt … ihr werdet uns bald wieder hören. Die Stimme der Wahrheit und Freiheit erlischt nie! Sollte uns der Russe doch bekommen, so werden andere für uns sprechen. Brüder und Schwestern … auf Wiederhören in ein paar Stunden!«
    Er schaltete den Sender ab und stellte den Aggregatstrom aus. Mit großen Augen sah ihn Irena an. Unter ihren Fingern zerriß das Papier ihres Manuskriptes. Sie schien es nicht zu merken.
    »Ist das wahr?« fragte sie stockend. »Die Russen sind hier?«
    »Sie stehen sechshundert Meter vor uns am Tor.« Er fuhr herum, als er plötzlich Valentinas tiefe, ruhige Stimme hörte. Sie saß am Peilgerät und hatte den Kopfhörer über ihre

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