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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schritt näher kommt, ist verantwortlich für alles, was dann passiert. Ich lasse die Käfige öffnen –«
    Tschernowskij atmete tief. Kalter Schweiß stand plötzlich auf seiner Stirn. Hinter den Gittern brüllten und fauchten die Raubkatzen. Der Königstiger im Käfig eins, ein fast weißer, riesiger Bursche, hieb mit den Pranken auf den Boden und starrte Tschernowskij aus seinen schrägen, grünen Augen an. »Sie widersetzen sich der sowjetischen Armee!«
    Der Oberwärter hob die Schultern. »Ihre Armee geht mich einen Dreck an. In Rußland können Sie befehlen, so viel Sie wollen. Hier sind Sie in der Tschechoslowakei! Was wollen Sie hier? Wer hat Sie gerufen? Woher nehmen Sie die Frechheit zu befehlen, in unseren Zoo einzudringen und nach Patrioten zu suchen? Ich sage Ihnen eins, Genosse: In das Raubtierhaus kommt niemand hinein, wenn ich nicht will! Und ich will nicht!«
    »Sie werden das bereuen.« Tschernowskij verzichtete darauf, weiter mit den Tschechen zu diskutieren. Welchen Sinn hatte es auch? Wichtig war nur, daß er jetzt wußte: Valentina und ihr blonder Liebhaber haben sich hinter diesen Käfigen versteckt. Und Pilny ist bei ihnen und wer weiß, wer noch von den rebellischen Studenten. Sie hocken dort in diesem Haus, und sie können nicht heraus, solange die Rotarmisten es umstellt haben.
    Tschernowskij lächelte mokant. Ihr kennt uns nicht, dachte er. Wir haben eine Waffe, die alles schlägt, die unbesiegbar ist, die keiner uns nachbauen kann, die ganz allein unser Patent ist: Zeit! Viel Zeit! Wir werden uns um das Haus setzen und warten. Der Hunger wird diese Idioten heraustreiben, oder die Erkenntnis der Sinnlosigkeit.
    Tschernowskij sprach ein paar Worte mit dem jungen Leutnant, wieder wurden Befehle gebrüllt, dann liefen die vierzig Mann auseinander, rannten um das Haus und bildeten eine lose Kette um den Raubtierbau.
    Die Falle ist zugeschnappt, mein Vögelchen, dachte Tschernowskij zufrieden. Nun können wir die Zeit an uns vorbeifließen lassen …
    »Sagen Sie den jungen Leuten da drinnen, daß sie keine Chance haben«, rief Tschernowskij dem Oberwärter zu, der zwei Tiger und zwei Löwen in den Innenkäfig treiben ließ, um damit anzudeuten, daß auch nach rückwärts die Raubkatzen freigelassen werden, wenn sich ein Russe den Türen näherte. »Solange die Rote Armee das Land besetzt hält … und das wird eine Zeitlang dauern … werden meine Leute Ihr Raubtierhaus umstellen. Ein Geduldspiel wird es werden, Genossen … aber wir sind darin geübt. Guten Abend.«
    Tschernowskij wollte sich umdrehen und zum Haupteingang zurückgehen, als per Sprechfunk von der Sowjetwache am Tor II eine Meldung kam. Der Soldat mit dem Funkgerät auf dem Rücken trat vor und nahm straffe Haltung an.
    »Meldung von Tor II, Genosse Oberst«, sagte er. »Keine besonderen Vorkommnisse. Nur ein Lastwagen der Fleischerei hat das Tor passiert …«
    Tschernowskij zuckte zusammen, als habe man ihn gegen das Schienbein getreten.
    »Wer hat das Tor passiert?« brüllte er auf. Der Funker wurde blaß und begann zu zittern.
    »Ein Lastwagen. Ein Metzger. Ein harmloser Verpflegungswagen …«
    »Wann?«
    »Vor fünf Minuten, Genosse Oberst. Es saß nur ein Mann am Steuer.«
    »Die Welt besteht nur noch aus Hirnlosen!« schrie Tschernowskij. »Ich habe befohlen, daß niemand den Zoo verläßt.«
    »Aber ein Wagen mit Fleisch, Genosse Oberst …«
    »Man sollte verzweifeln!« Tschernowskij riß das Sprechgerät an sich und brüllte so laut, daß sich seine Stimme überschlug. Der Funker am Tor II verstand nur Bruchstücke, aber sie genügten, um die Wagen V und VII flott zu machen.
    »Alarm! Verfolgung aufnehmen! Schießen, sobald der Wagen in Sichtweite ist.«
    *
    Um 20.49 Uhr meldete die Straßenkontrolle, daß ein Fleischerwagen in rasender Fahrt die zum Stop winkende Motorstreife um ein Haar überfahren hätte und weitergebraust sei.
    Richtung Pilsen, Staatsstraße 5.
    Drei Motorräder hatten die Verfolgung aufgenommen.
    »Nach Pilsen!« Tschernowskij, der bebend vor Erregung und Ungeduld am Rande der Chaussee Nr. 8 wartete, hieb mit den Fäusten auf die Motorhaube. »Er fährt nach Westen! Verdammt noch mal –, sie sollen schießen … schießen … als wollten sie die Hölle selbst stürmen! Ich lasse jeden bestrafen, der nicht auf diesen Wagen schießt!«
    Um 20.56 Uhr hatten sich die drei Motorräder mit zwei Unteroffizieren und einem Unterleutnant der Roten Armee dem Fleischerwagen so weit genähert, daß sie

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