Bluthunde
heimsuchen würde, nicht der letzte Kampf, den er heute auszufechten hatte, bevor Morpheus’ Arme ihn gnädig umschließen würden.
Übermorgen. Übermorgen musste er wieder fit sein. Dann kam es wieder auf ihn an!
Er führte die Flasche an den Mund.
Jensen strich sich mit den Fingerspitzen unters Hemd und vorsichtig über seine gerötete Brust. Das Holzkistchen, die Kerzen … Er ließ die Haustür hinter sich zufallen und trat mit federndem Schritt, weichen Knien und einem zufriedenen Lächeln in den Mundwinkeln raus auf die Straße. Das Lächeln wollte auch in Anbetracht des starken Regens nicht weichen, der in unendlichen Bindfäden auf die Erde niederrauschte. Das waren schließlich die gleichen Regentropfen, die noch vor wenigen Minuten auf das breite Veluxfenster in Lenas Dachgeschosswohnung prasselnd für eine herrlich stimmungsvolle Geräuschkulisse gesorgt hatten.
»Die Lena …«
Jensen schüttelte den Kopf. Ihr Date hatte sich viel besser entwickelt, als er es sich in seinen tollsten Träumen hätte ausmalen können. Damit war nach ihrem Aufeinandertreffen in der Gerichtsmedizin vor erst ein paar Tagen absolut nicht zu rechnen gewesen. Es gab sie immer noch, die süßen, kleinen, positiven Überraschungen. Jensen schlug den Kragen seiner Jacke hoch und drückte sich an der Häuserzeile entlang Richtung Heimat. Weit war das nicht, aber …
»Scheiße!«
Ein fetter Regenschwall knallte ihm an der nächsten Häuserecke in den hochgeklappten Kragen.
Jensen beschleunigte seinen Schritt und steuerte am Worringer Platz den Taxistand an. Scheiß auf die paar Euro, aber selbst auf dem kurzen Stück bis zur Stresemannstraße wäre er nass bis auf die Haut. Deshalb hatte er noch in Lenas seidene Bettwäsche gehüllt beschlossen, sich ein Taxi zu gönnen.
Schnell riss er die Tür der Droschke in der Pole-Position auf und rutschte auf den Beifahrersitz. »Tag, einmal bitte bis zur Stresemannstraße Ecke Charlottenstraße«, gab er dem indisch aussehenden Taxifahrer Bescheid, der sich auch gleich so richtig begeistert zeigte.
»Bis zur Stresemannstraße? Die ganze Strecke? Das ist doch gleich um die Ecke, Mann. Da lohnt es sich für mich ja gar nicht, den Motor anzuschmeißen. Und für so eine schlappe Tour warte ich hier zwei Stunden in der Schlange.«
Jensen zuckte mit den Schultern. Klar, das war jetzt nicht der allerbeste Auftrag, aber laufen wollte er trotzdem nicht. »Die Tour können wir von mir aus schwarz ohne Uhr machen«, schlug er für die gute Stimmung vor.
Der Taxifahrer sagte: »Sieben Euro.«
Zu viel, dachte Jensen und sagte: »Okay.«
Wortlos drückte der Taxifahrer eine Bollywood-CD in den Schlitz seines Players und fuhr schwungvoll los, um gleich an der nächsten Ampel hinter einem Jeep anzuhalten. Der große Scheibenwischer quietschte von links nach rechts und wieder zurück. Die höher gelegenen Rückleuchten des Fahrzeugs vor ihnen brachen sich blendend in den Regentropfen auf der Windschutzscheibe. Durch die Scheibe fiel Jensens Blick auf das Kennzeichen des Jeeps. D-YY 8998.
»Ich hab immer so ein Glück. Ich krieg immer die Sinker«, murmelte der Taxifahrer, der Jensen jetzt aber doch mit seiner mopprigen Art ein bisschen auf den Keks ging. Aber erst frühestens in Höhe Grupellostraße würde er seinem Kutscher ein paar freundliche Takte drücken.
Mit ein paar schnellen Gedanken an eine sich langsam bewegende Lena und ihren weichen, in Massageöl getränkten Körper versuchte Jensen, sich stimmungsmäßig wieder zu beruhigen. Merkwürdig. Es wollte ihm nicht richtig gelingen. Und das lag nicht nur am Taxifahrer, dessen Kopf zum plärrenden, dengelnden Rhythmus der Musik wippte und wackelte. Irgendein Bimmelchen lärmte ganz weit hinten in Jensens Kopf.
»Gleich stehe ich wieder eine Stunde«, summte der Mann.
»Besser schlecht gefahren, als gut gestanden«, zankte Jensen unwillig.
Der Inder knurrte gefährlich.
»Ich bin gegen Regen allergisch. Wasser ist was für Fische«, fuhr Jensen fort, dem die romantische Stimmung inzwischen vollständig abhanden gekommen war.
»Ach was? Auch noch Komiker?«
Ja, wollte Jensen sagen, aber da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Verdammt!«
»Was is, alles klar?«, fragte der Droschkenmann entsetzt. »Musst du kotzen? Brech mir bloß nicht ins Auto!«
Jensen schlug sich vor die Stirn. Der Jeep vor ihnen. Das Kennzeichen! Das war der Jeep aus der Fahndung, der Jeep, den die Russen diesem Van den Borgh abgekauft hatten, der am
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