Bluthunde
Auto ein bisschen nach frischem Kohl und Spinat, als nach abgestandenem Zigarettenqualm. Er war sogar, wie er es gehofft hatte, zehn Minuten zu früh vor Lenas Haustür. Spontan nutzte Jensen die Gelegenheit und kaufte in einem kleinen Blumenlädchen, das sich direkt gegenüber Lenas Wohnung befand, eine kleine, neckische Blüte zum Anstecken. Ein bisschen was Schräges kam immer gut.
Jensen lehnte sich an die Schiebetür des Kastenwagens und wartete. Aus dem Auto ertönte auf Antenne Düsseldorf die Stimme von Alicia Keys mit
No One
.
Gerade als im Radio das Jingle der Nachrichten ertönte, öffnete sich die Haustür.
Jensen war beeindruckt. Lena trug ihre langen, braunen Haare offen. Ihr Gesicht war dezent geschminkt, um ihren Hals trug sie ein kleines, goldenes Medaillon. Hautenge, dunkelblaue Jeans und die schwarzen Pumps betonten perfekt ihre endlos langen Beine. Sie trug eine Bluse, die weit genug geöffnet war, um neugierig zu machen. Die Bluse war muschelfarben, was hervorragend zu den korallenfarbenen Fingernägeln passte.
»Dressed to kill«, murmelte Jensen tonlos.
Er machte einen Schritt auf sie zu, hauchte zur Begrüßung einen Kuss auf ihre Wange, hob die Ansteckblüte hoch und fragte: »Darf ich?«
»Aber pass auf, dass du mich nicht wieder verletzt«, antwortete Lena freundlich, aber Jensen ahnte, dass er sich heute richtig ins Zeug legen musste.
Sie fuhren ein kurzes Stück über den Wehrhahn, streiften die Innenstadt und suchten auf der Tußmannstraße nach einem freien Parkplatz. Auf der Franklinstraße wurden sie schließlich fündig. Der Weg zum Restaurant führte sie an einer großen Schaufensterscheibe vorbei. Ein heller Holzsarg, innen drin mit rotem Stoff ausgelegt, zog Jensens Aufmerksamkeit auf sich.
»Du interessierst dich für Särge?«, fragte Lena.
»Meinst du, das ist zu früh?«, lachte Jensen und trat einen Schritt zurück. »Das ist übrigens kein Sargshop, sondern ein Tattoostudio.«
»Oh«, zeigte Lena Interesse. »Tattoos sind schon eher was für mich.«
Links neben dem Sarg hatte der Inhaber mehrere Fotos und wilde Zeichnungen ausgestellt.
»Was Passendes für dich dabei?«, fragte Jensen. »Ich suche auch irgendwas mit Mama oder Mutter.«
»Deine Mutter? Na, die lerne ich ja auch bald kennen«, summte Lena.
Jensen schluckte und drückte seine Nase an die Scheibe des Ladens. Neben den üblichen Sachen mit Tribals, Delfinen und Rosen hatte eines der Bilder seine besondere Aufmerksamkeit erregt. Er betrachtete das Bild genauer und zeigte mit dem Finger drauf.
»Das findest du gut?«, fragte Lena und musterte eine diabolisch lächelnde Vampirfrau mit langen, spitzen Eckzähnen. Die Untote trug einen zerfetzten, schwarzen Umhang, ihr blasses Gesicht war tätowiert. Aus dem rechten Mundwinkel floss Blut.
»Da habe ich dich aber falsch eingeschätzt, Christian. Ob das deiner Mama gefallen würde?«
»Äh, nein, natürlich nicht«, beeilte sich Jensen. »Aber schau dir doch mal die Zähne der Vampirbraut an. Sieht täuschend echt aus, oder? Wo bekommt man denn solche Zahnschienen?«
»Wieso Schienen?«, fragte Lena zurück. »Die Zähne sind bestimmt echt. Ich habe schon mal so eine bei uns auf dem Tisch gehabt. Die Zähne sind angespitzt, man kann sich die Zähne in Form feilen lassen.«
»Ach.« In Form feilen lassen. Jensen fielen die Bissverletzungen ein, die Doc Stich an Rempes Körper entdeckt hatte und die er gerne einem Hund zugeordnet hätte, die aber nicht so richtig zu dieser Tierart hatten passen wollen. Was, wenn da jemand einem Hund die Zähne angespitzt hatte? Ihm kam Strullers Edgar-Wallace-Bemerkung auf der Hundefarm in den Sinn,
Der Hund von Blackwood Castle
…
»Komm lass uns gehen. Das ist ein doofer Laden«, meckerte Lena.
»Ja«, murmelte Jensen und überlegte kurz, Struller anzurufen, aber er hatte das Handy kaum aus dem Jackett gefriemelt, da fiel ihm Lenas warnender Blick auf.
»Du bist in Gedanken doch wohl nicht bei der Arbeit, Christian?«
»Nein, auf keinen Fall!« Hastig schoss er mit dem Handy nur kurz ein Foto, um es morgen Struller zeigen zu können.
Wenige Minuten später erreichten sie ihr Ziel. Ein amerikanisches Restaurant mit saftigen Burgern und Steaks. Das scharfe Steakmesser in ein halbblutiges Steak zu jagen, dürfte der Lady aus der Gerichtsmedizin wohl gefallen. Jensen fand seine Idee klasse!
Und der Abend verlief wirklich sehr gut, ganz zur Freude von Lena und dem erleichterten Jensen. Sie lachten viel, flirteten
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