Blutige Asche Roman
im ufenthaltsraum eines Altersheims, das nur wenige Straßen weit weg war. Der Bridgeclub besaß einen drolligen Namen, so was wie »Lebendiges Grau«. Der Name spielte darauf an, dass Bridge die grauen Zellen auf Trab hält, und natürlich auf die Haarfarbe der meisten Mitglieder. Meine Mutter ließ sich die Haare allerdings immer noch blond färben. Eine Blondine bis in den Tod, sagte sie oft über sich selbst. Ich hatte ihr sogar versprechen müssen, eventuell vorhandene graue Ansätze nachzufärben, bevor man sie nach ihrem Tod aufbahren würde.
Im Bungalow in Buitenveldert brannte Licht im Flur sowie eine einzelne Lampe im Wohnzimmer. Wenn man besonders betonen will, dass man nicht zu Hause ist, muss man einfach nur eine Lampe anlassen. Wie eine Art Leuchtfeuer, das den Schiffen auf hoher See den sicheren Hafen anzeigt. Ich hatte ihr gegenüber schon mal eine entsprechende Bemerkung gemacht, aber sie hatte das lächerlich gefunden. Ihrer Meinung nach trauten sich Einbrecher nicht ins Haus, wenn irgendwo Licht brannte, und sei es nur das einer tapferen Stehlampe in der Wohnzimmerecke.
Bienie passte auf Aron auf, obwohl ich mir nicht sicher war, ob das gutgehen würde. Beim letzten Mal klebte am nächsten Morgen Kaugummi in seinen Haaren. Da mir Bienie feierlich gelobt hatte, ihm vor dem Schlafengehen keinen
Kaugummi mehr zu geben, und meine Mutter schlecht auf ihn aufpassen konnte, wenn ich in ihr Haus einbrach, hatte ich es auf den Versuch ankommen lassen. Bienie war gleich Feuer und Flamme gewesen.
Ich hatte Aron bereits ins Bett gebracht und hunderttausend Lieder mit ihm gesungen, bis ihm die Augen zufielen. Hoffentlich würde er durchschlafen. Bienie war eine großartige Freundin, aber viel Geschick im Umgang mit Kindern besaß sie nicht.
Als ich vor dem Haus meiner Mutter stand, steckte ich den Schlüssel ins Schloss und sah mich um. Ein Mann mit einem kleinen Hund ging vorbei, schien sich aber nicht für mich zu interessieren. Schnell sperrte ich auf und ging hinein.
Ich war nervös. Die Wahrscheinlichkeit war zwar nicht groß, dass meine Mutter früher vom Bridge nach Hause kam, aber ausgeschlossen war es nicht. Sie wäre auf jeden Fall unangenehm überrascht.
Weil sich meine Mutter weigerte, noch ein Wort über Ray oder dessen Vater zu verlieren, hatte ich beschlossen, eine kleine Suchaktion zu starten. Beim letzten Mal hatte ich mich ausschließlich auf Ray konzentriert. Jetzt wollte ich sehen, ob ich etwas fand, das mich zu Rays Vater führte.
Ich lief auf Zehenspitzen durchs Wohnzimmer - obwohl mich niemand hören konnte - und richtete die Taschenlampe auf den Schreibtisch meiner Mutter.
So im Dunklen wirkte das Aquarium unheimlich. Ein grünblaues Leuchten erhellte das Zimmer wie eine Unterwassergrotte. Die Fische schwammen ruhig und in aller Unschuld ihre Bahnen.
Ich zog Schubladen auf und sah mir deren Inhalt an: Kontoauszüge,
Garantiescheine, Gas-, Wasser- und Stromrechnungen. Ein Behälter mit Gummibändern und Büroklammern. Ein Rezept für Oxazepam, das ich einfach einsteckte. Eine Karte von Amstelveen, Streifenkarten und eine Postkarte, die ein ehemaliger Kollege meines Vaters vor zwei Jahren aus Spanien geschickt hatte. »Blanes, 30 Grad«, stand darauf. Ich blätterte ihr Adressbuch durch. Darin standen so viele Namen, die ich nicht kannte, dass ich auch nicht schlauer wurde.
Ich hatte mir vorgenommen, erst mit den Küchenschubladen und dann mit den alten Unterlagen im Arbeitszimmer meiner Mutter weiterzumachen, als mein Blick auf den goldenen Kugelschreiber fiel, der auf dem Schreibtisch lag. Ich hatte meine Mutter oft genug damit schreiben sehen, bemerkte aber erst jetzt, dass er dem von Peter van Benschop ähnelte. Ich drehte ihn zwischen meinen Fingern, bis ich die Buchstaben im Schein der Taschenlampe aufleuchten sah: Reederei van Benschop.
Wie kam meine Mutter an das Ding? Diese Stifte waren zu kostbar, um zu Tausenden verschenkt zu werden. Sie musste ihn persönlich erhalten haben. Ich griff nach dem Adressbuch meiner Mutter und begann gezielter zu suchen. Wie hieß der alte Herr auf Asschers Parkplatz gleich wieder? Unter T fand ich ihn. Twan, ohne Angabe eines Nachnamens.
»Aha«, sagte ich laut. Wie viele Twans es wohl in den Niederlanden gab? Ich griff zu meinem Handy und wählte die Nummer. »Sie haben die Nummer der Reederei van Benschop gewählt. Wir sind telefonisch von … bis … erreichbar.«
Meine Mutter kannte Twan van Benschop. Die van Benschops
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