Blutige Nacht: Roman (German Edition)
Konsequenzen zu scheren.
Mit schläfrigen Augen hänge ich auf dem Fahrersitz. Ein Trompetensolo von Louis Armstrong erfüllt den Wagen. Von allen Instrumenten gefällt mir die Trompete am besten. In der Band habe ich Trompete gespielt, damals, vor all dem. Nicht so wie der gute alte Satchmo, aber ich habe gespielt. Ich liebe die harsche Weichheit des Messings. Wie ein Schlag, den man zu seinem eigenen Besten erhält. Ich liebe es, wie einem ein gut gespieltes Stakkato in einem Moment eine Kugel in den Kopf jagen kann, um einen im nächsten von den Toten auferstehen zu lassen. Seit 1943 habe ich keine Trompete mehr angerührt. Ich brauche das nicht mehr. Das war das Jahr, in dem ich selbst zu einer geworden bin.
Das Solo geht zu Ende. Ich schüttle die Taubheit von mir ab und lasse den Motor an. Ich fahre die mondklaren Landstraßen nach Hollywood zu dem Club, von dem Reesa mir erzählt hat und der sich Tomb Room nennt. Ich finde ihn ein paar Straßen vom Sunset Boulevard entfernt, zwischen einem mexikanischen Restaurant und einem Nagelstudio, genau wie Reesa es angekündigt hatte. Ich parke und gehe dorthin zurück.
Die Musik, die wie Giftmüll von innen herausquillt, reicht fast schon aus, damit ich umdrehe und geradewegs nach Hause fahre. Ich stemme mich gegen dieses Gift und gehe an einer Reihe von bleichgesichtigen Möchtegern-Untoten vorbei. Alle sind schwarz gekleidet. Alle, Jungen wie Mädchen, haben schwarz geschminkte Augen, schwarz geschminkte Lippen und schwarzen Nagellack. Die androgyne Natur des Stils macht es einem schwer, die Geschlechter auseinanderzuhalten. Vielleicht geht es genau darum, dennoch frage ich mich, seit wann die Menschen die Vorstellung haben, man müsse sich eines Transvestitin-Trauer-Looks bedienen, um wie ein Vampir auszusehen. Wenn diese Teenies in die Ränge aufgenommen werden wollen, dann stellen sie das völlig falsch an. Nennen Sie mich altmodisch, doch in meinen Augen ist das Letzte, was die Vampirwelt benötigt, ein Haufen geschlechtsverwirrter Loser, die missmutig und jämmerlich mit rebellisch und interessant verwechseln.
Ich gehe direkt zum Anfang der Menschenschlange, wo ein Türsteher mit spitzgeschliffenen Zähnen und einem Gesicht voller Tattoos und glänzender Piercings neben der Tür steht. Es hat den Anschein, als wäre eine Granate in seinem Gesicht explodiert. Als krönender Abschluss stehen zwei Metallspitzen wie Teufelshörner von seinem kahlen Schädel ab. Er nimmt mich mit Anzug und Hut in Augenschein und sieht mich an, als wäre ich hier der komische Kauz.
Vielleicht bin ich das.
»Sicher, dass Sie hier richtig sind?«
Ich nicke zustimmend und gebe ihm den Blick. »Mick Angel. Ich stehe auf der Liste.« Er sieht nach, findet meinen Namen genau dort, wo er nicht steht, und öffnet die schwarze Samtkordel, um mir Einlass zu gewähren. Ich trete durch eine schwarze Tür in einen schwarzen Eingang, der von Schwarzlicht beleuchtet wird.
Dort überprüft eine Morticia-Addams-Doppelgängerin meinen Ausweis und bittet mich um fünfzehn Dollar. Ich rücke das Geld heraus, verwundert über das, was ich da tue, wenn ich bedenke, was ich meinen Ohren hier gleich zumuten werde. Sie befestigt ein schwarzes Plastikarmband an meinem Handgelenk und dirigiert mich durch einen dicken schwarzen Vorhang in den Hauptsaal. Stellen Sie sich nur mein erstauntes Gesicht vor, als sich herausstellt, dass er völlig schwarz angestrichen ist.
Der Raum ist vollgestopft mit Jugendlichen. Auf der anderen Seite, auf einer schwarzen Bühne hinter einem schwarzen Banner, auf dem weit aufgesperrte, blutige Fänge abgebildet sind, foltert eine Gruppe von Musikhassern ihre Instrumente. Die Band sieht so aus, als hätte man sie ziellos aus der Schlange vor der Tür ausgewählt. Und was ihre musikalischen Fähigkeiten betrifft, so hätte es mich nicht verwundert, wenn dies tatsächlich der Fall gewesen wäre. Laut der Vorderseite der Basstrommel läuft die Band unter dem Namen Bite Me. Wirklich clever.
Blicke, Grinsen und Stupser des Pöbels übergehend, trete ich meinen Weg quer über die schwarze Fläche hin zur schwarzen Bar an. Um mich einzustimmen, bestelle ich einen Johnny Walker – Black Label.
Der Barkeeper bringt mir meinen Drink. Es sieht so aus, als hätte derselbe Pfuscher wie beim Türsteher auch bei ihm Hand angelegt. Der größte Unterschied besteht darin, dass die Metallstifte bei ihm nicht hornförmig, sondern als eine Art Kamm angebracht sind, der sich über die Mitte
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