Blutige Nacht: Roman (German Edition)
aufgefüllten Drink an der Bar bin, kommt der Barkeeper zu mir herüber und klopft mir sachte auf die Schulter. Er zeigt mit einem Finger mit scharfer Kralle auf einen schwarzhaarigen Doppelgänger von Cousin Itt von der Addams Family, der mit gekreuzten Armen in der Nähe eines Hinterausgangs steht.
»Das ist er. Das ist der Kerl, mit dem das Mädchen vom Foto immer zusammen war.«
Ich bedanke mich bei ihm und schlage eine Schneise zu dem Typen, der aussieht wie ein Zirkusfreak. Ich versuche, gerissen vorzugehen, doch es hilft nichts, ich steche hervor wie eine Zecke auf einem Flohkongress, und er sieht mich auf sich zukommen. Er hält mich für einen Bullen, dreht sich um und verschwindet durch die Tür, ehe ich ihn am Kragen packen kann.
Ich erreiche die nach Pisse stinkende Gasse nur wenige Schritte nach ihm.
»Scotty!«
Er sieht sich nach hinten um, ohne langsamer zu werden, und seine langen schwarzen Haare flattern wie ein Cape hinter ihm her, als er mit Karacho auf die Straße zurennt. Er ist schnell, angetrieben vom Meth und wer weiß was sonst noch, aber einem wirklichen Vampir ist er in keiner Weise gewachsen. Mit wenigen Schritten habe ich ihn eingeholt, greife nach dem ellenlangen Haar und reiße daran. Ruckartig. Sein Kopf hält inne, nicht aber der Rest seines Körpers. Seine Füße eilen nach vorn, und er plumpst mit einem atemlosen »Ufff« nach hinten auf den aufgeplatzten schwarzen Asphalt. Es sieht schmerzhaft aus.
Noch ehe jemand kommen und uns sehen kann, ziehe ich ihn, hilflos und bewegungsunfähig gemacht, in den Schatten der rostigen Mülltonne auf der Rückseite des mexikanischen Restaurants.
Ich stehe über dem Burschen, der in flachen Zügen nach Luft schnappt. Sein schwarzes T-Shirt der New York Dolls ist nach oben gerutscht und entblößt seine Taille. Er ist schrecklich dürr, ein Skelett in schwarzen Jeans. Sein jungenhaftes Gesicht ist etwa hundert Jahre jünger als die welterfahrenen Augen, die daraus hervorstarren, doch noch ein paar Jahre auf der Straße, und es passt sich an. Das tun Gesichter immer.
»Ich habe nichts bei mir. Durchsuch mich doch, verdammt noch mal«, stößt er hervor, als er zu Atem gekommen ist und wieder reden kann.
»Ich bin kein Bulle.«
»Was zum Teufel willst du dann von mir?«
Ich hole das Foto von Raya hervor und halte es in sein durch Drogen nassgeschwitztes Gesicht. »Ich suche nach diesem Mädchen. Ich weiß, dass du sie kennst. Wo kann ich sie finden?«
»Keine Ahnung, Mann. Ich hab sie nicht gesehen.«
Ich kann keine Lüge riechen, doch seine Angst könnte sie überdecken. Um mich abzusichern, hole ich meinen 38er hervor und drücke damit sein fliehendes Kinn nach oben. Ich werfe ihm einen furchteinflößenden Blick zu, denselben, den ich auch dem Barkeeper zugeworfen habe.
»Wie schon gesagt, ich bin kein Bulle, das heißt auch, dass ich keine Regeln befolgen muss. Also, wenn du schlau bist, spuckst du aus, was du weißt.«
»Das tue ich. Ich schwöre, ich habe Raya seit Wochen nicht mehr gesehen.«
»Was ist mit ihr passiert?«
»Keine Ahnung. Sie war da, und auf einmal war sie weg. Vielleicht hat ihr diese Schlampe was angetan.«
»In dieser Stadt gibt es mehr Schlampen als Ampeln. Von welcher Schlampe redest du?«
»Von der, bei der sie wohnt.«
»Raya wohnt bei jemandem?«
Er nickt.
»Bei wem?«
»Ich kenne nur ihren Namen als Stripperin.«
Ich schaue ihn erwartungsvoll an.
»Dallas. Sie ist als Dallas bekannt.«
»In welchen Clubs hat sie gearbeitet?«
»Weiß nicht. Ich hab sie nur einmal getroffen, aber ich hab ihr nicht getraut.«
»Warum nicht?«
Er zuckt mit den Schultern und sagt: »Wenn man auf der Straße lebt, dann bekommt man entweder ein Gespür für die Leute, oder man überlebt nicht lange. Irgendwas war faul an ihr. Sie hat Raya allen möglichen Mist versprochen, was sie alles für sie tun würde. Sie von der Straße holen. Ihr helfen, einen Abschluss zu machen. Das alles hörte sich für mich nach völligem Quatsch an. Viel zu gut, um wahr zu sein, verstehst du?«
Ich nicke. Das kenne ich nur zu gut.
»Wie auch immer, diese Schlampe hat Raya ein Dach über dem Kopf angeboten, und Raya hat angenommen. Hat sogar angefangen, Dallas ihre große Schwester zu nennen. Wahrscheinlich hat sie nach einer gesucht, nach allem, was ihre wirkliche Schwester ihr angetan hat.«
»Was hat sie denn gemacht?«
»Raya und ihre Schwester haben bei irgend so einem Produzenten gewohnt. Kann mich nicht mehr an seinen
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