Blutige Rosen
sie zitterte.
Wir gingen in den Wohnraum.
Die Rosen fielen mir sofort auf. Sie standen in einer Glasvase auf dem runden Esstisch. Darüber brannte die Lampe, und sie streute ihr Licht auf die Blütenpracht.
Allerdings auf eine makabre Pracht. Denn zwischen den gelben Blüten sah ich das Blut.
Auch ich war nicht gerade angenehm überrascht. Die dicken, roten Tropfen hatten sich nicht nur auf den grünen Blättern verteilt oder waren wie Sirup an den Stielen nach unten gelaufen, sondern lagen auch auf der weißen Decke, wo sie zu Flecken zerlaufen waren. Ich traute mich nicht, die Blüten anzufassen, sondern blieb vor dem Tisch stehen und schaute mir den Strauß an. Es war verständlich, dass Jane einen Schock bekommen hatte, denn diesen makabren Gruß hätte wohl kaum jemand verkraftet.
»Ob das Blut echt ist?« flüsterte Jane. Sie stand neben mir und hatte eine Hand auf meine Hüfte gelegt.
»Ich weiß nicht.«
»Du könntest den Strauß mitnehmen und ihn untersuchen lassen«, schlug die Detektivin vor.
Ich nickte. »Ja, das werde ich machen.« Dann drehte ich mich zu ihr um.
»Sag mal, kannst du dir denken, wer dir so etwas geschenkt haben könnte?«
Für einen Moment schaute Jane mich an. Dann öffnete sie den Mund, und ein Satz drang über ihre Lippen. »Meine Güte, John, bin ich dumm.«
»Wieso?«
»Ich weiß doch, wer ihn mir geschickt hat.«
»Wirklich?«
Jane nickte. »Moment.« Sie machte kehrt und nahm vom Wohnzimmertisch eine Karte auf. Bevor ich sie genau sah, erkannte ich bereits die rote Schrift. »Mit Blut geschrieben«, sagte Jane und schüttelte sich, als hätte sie jemand mit Wasser übergossen.
Ich nahm die Karte entgegen. Ein Name stach mir ins Auge. Deutlich und klar stand er dort zu lesen. Gordon Schreiber.
Wahrscheinlich sind mir ähnliche Gedanken durch den Kopf geschossen wie zuvor Jane Collins, als sie den Namen las. Gordon Schreiber war ein starker Gegner, und nicht nur er, auch Wikka, die Königin aller Hexen, gehörte zu ihm. Die beiden dienten Asmodis, und sie hatten uns bereits viel Ärger bereitet.
»Was sagst du dazu?« fragte Jane.
Ich hob die Schultern. »An und für sich ist es keine Überraschung. Beide sind damals entkommen. Dass sie aufgegeben haben, konnte ich mir sowieso nicht vorstellen.«
»Aber was bezwecken sie mit den Rosen?«
»Keine Ahnung. Vielleicht eine Warnung.«
»Nur für uns?«
Ich schaute Jane schräg an und verengte die Augen. Ja, ich konnte ihren Gedankengängen folgen und erwiderte: »Du meinst also, dass nicht nur wir die Rosen geschenkt bekommen haben.«
»Es wäre möglich.«
»Die Frage ist, wie man herausfinden soll, wer alles noch einen Strauß hat. Du weißt nicht zufällig den Namen des Überbringers?«
»Nein, John. Ich war viel zu überrascht, als der junge Mann plötzlich vor mir stand.«
»Ja, das ist verständlich. Die Spur verläuft ins Nichts. Wo wir hingreifen, fassen wir ins Leere.«
»Ein Mordanschlag ist es wohl nicht«, sagte die Detektivin. »Es ist zwar schaurig, wenn Blut aus den gelben Rosen quillt, aber davon stirbt man nicht.«
»Nein, davon nicht«, murmelte ich.
»Du sagst das so komisch, John.«
»Vielleicht haben die Rosen noch eine andere Bedeutung. Wer kann das wissen?«
»Meinst du, sie wären gefährlich?«
»Möglich. Auf jeden Fall darf der Strauß nicht hier stehen bleiben. Ich werde ihn mitnehmen und untersuchen lassen.«
»Soll ich dich begleiten?«
»Nicht nötig, Jane. Ich gebe dir Bescheid, wenn etwas dabei herausgekommen ist.«
»Aber sofort.«
»Sicher, das verspreche ich.«
Jane holte Papier aus der Küche, in das ich die Rosen einwickeln konnte. Ich wollte so wenig Blut wie möglich an meine Hände bekommen und drehte erst das Papier um die Stiele. Auch das Wasser in der Vase hatte einen rosigen Schimmer bekommen. Das Blut hatte sich nicht gelöst, sondern schwebte förmlich im Wasser.
»Sei nur vorsichtig«, warnte die Detektivin, als ich, bepackt mit dem makabren Rosenstrauch, das Zimmer verließ.
»Klar«, gab ich lächelnd zurück. »Sie sind ja hoffentlich ausgeblutet.«
»Über den Scherz kann ich nicht lachen.«
Ich hauchte Jane noch einen Kuss auf die Wange und verließ ihre Wohnung. Als Rosenkavalier eignete ich mich wirklich nicht. Ich kam mir direkt komisch vor. Da ich den Liftknopf nicht sofort fand, musste ich erst mit der Hand an der Leiste entlang tasten, bis ich ihn unter meinem Zeigefinger spürte.
Die Tür schwang auf, und ich betrat einen leeren Lift.
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