Blutige Seilfahrt im Warndt
konterte Grewe.
»Schauen wir trotzdem nach, was sich hinter dieser Tür verbirgt?«
Grewe kam Remmarks Auftrag ebenfalls merkwürdig vor. Vor allem der Zeitpunkt, zu dem diese Gezähekammer einfach zugemauert werden sollte – ein Raum, für den sich angeblich jahrelang niemand interessiert hatte. Das klang rätselhaft. Und doch zögerte er. Schon gleich am ersten Tag aufzufallen, wäre nicht die beste Lösung.
»Wie sollen wir das anstellen?«, fragte Kevin. »Ohne Schlüssel!«
Die jungen Männer hatten Grewes Zögern nicht bemerkt.
»Ich gehe den Schlüssel holen!«, schlug Bruno vor.
»Und wie? Der kann nur beim Steiger sein. Und der rückt ihn bestimmt nicht raus – sonst hätte er es schon getan.«
»Vielleicht hat er es einfach nur vergessen.«
»Blödsinn! Der wollte ihn uns nicht geben.«
»Du meinst, wir sollen nicht wissen, was in dieser Gezähekammer ist?«
»Hört mal zu«, mischte sich Grewe in das Geplänkel ein.
Die beiden schauten ihn erwartungsvoll an.
»Schaut mal nach oben!«, wies er die jungen Männer an.
Sie richteten ihre Blicke an die Firste und sahen dort einen roten Punkt.
»Das ist ein Polygonpunkt«, erklärte Grewe.
»Wir wissen, was das ist«, meinte Kevin schlau.
»Dann wisst ihr auch, was das zu bedeuten hat.«
Verdutzt schauten die Auszubildenden Grewe an und schüttelten die Köpfe.
»Ein Polygonpunkt ist ein Richtungspunkt, was bedeutet, dass hier wohl mal eine Strecke vorangetrieben wurde.«
Alle starrten auf die eiserne Tür.
»Also befindet sich hinter dieser Tür keine Gezähekammer, sondern eine Strecke, die nicht weiter vorangetrieben wurde.« Die jungen Männer staunten.
»Das ist ja nicht zu fassen«, stöhnte Kevin.
»Es ist natürlich möglich, dass diese Strecke später als Gezähekammer genutzt wurde«, erklärte Grewe weiter.
»Aber das macht es für uns noch viel interessanter herauszufinden, was sich wirklich hinter dieser Tür befindet«, beharrte Kevin.
»Nur wie kriegen wir sie auf?«, fragte Bruno
»Wie wäre es hiermit?« Grewe zeigte auf das Brecheisen, das er aus dem Querschlag mitgenommen hatte: »Wir brechen die Tür auf, schauen uns an, was sich dahinter verbirgt, und mauern sie hinterher zusammen mit der alten Eisentür zu. Dann merkt keiner, dass wir uns Schorschs Anweisungen widersetzt haben.«
Die Augen der jungen Männer leuchteten.
Kullmann war es, der die betretene Stille beendete. Mit einem Räuspern begann er zu sprechen: »Du sagtest, dass du auf das Grubenunglück aus dem Jahr 1999 zu sprechen kommen wirst.« Schnur nickte und überlegte eine Weile, bis er endlich sagte: »Ein Gruben-Unglück würde normalerweise keine intensivere Untersuchung notwendig machen. Was mich an diesem Fall stört, sind die beiden Männer, die angeblich ebenfalls verunglückt sind, aber niemals gefunden wurden.«
»Du sprichst von Karl Fechter und Winfried Bode?«, hakte Kullmann nach.
»Genau!«
»Ich habe damals alles überprüft. Auch die Sprengsätze, die für das Vorantreiben der Stollen gelagert waren. Ebenso Georg Remmark, den damaligen Sprengbeauftragten. Aber es gab keine Auffälligkeiten. Auch in den Trümmern wurde nichts gefunden, was auf eine Sprengung hingewiesen hätte.«
»Aber was hatten diese beiden Männer dort zu suchen? Zu einer Zeit, als ihre Schicht schon lange beendet war?«, fragte Schnur.
»Damals erklärte man mir, dass Fechter sich angeblich auch mit anderen Steigern ausgetauscht habe. Er sei öfter bei anderen Partien gewesen, um die Männer dort bei ihrer Arbeit zu begleiten«, erklärte Kullmann das Ergebnis seiner damaligen Recherche. »Und ich war damals in Sachen Bergbau genauso schlau wie du jetzt. Ich ging davon aus, dass diese Aussagen korrekt sind.«
»Klingt trotzdem hanebüchen«, gab Schnur zu verstehen. »Durch Grewe wissen wir, dass es nicht üblich für einen Steiger ist, sich anderen Partien anzuschließen. Ein Steiger hat Interesse daran, die Leistung seiner eigenen Mannschaft voranzutreiben.«
Kullmann nickte, sagte aber nichts dazu.
Schnur fuhr sich über sein rasiertes Kinn und erklärte: »Ich habe mit Arthur Hollinger, dem Touristenführer des Erlebnisbergwerkes Velsen, einen Termin vereinbart. Er hat damals unter Tage gearbeitet, war sogar Partie-Mann gewesen. Deshalb will ich mit ihm über den Unfall sprechen, weil ich glaube, dass er uns interessante Einzelheiten erzählen kann.«
»Hat er gefragt, warum du dich so für diesen Unfall interessierst?«, fragte Kullmann.
»Nein.
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