Blutige Seilfahrt im Warndt
Ich habe nur einen Termin für eine Führung durch das Erlebnisbergwerk vereinbart. Das ist ebenerdig in einen Berg hinein gebaut und das traue ich mir zu. Welche Fragen ich ihm dann stellen werde, wird er noch merken.«
»Da komme ich mit.« Kullmanns Augen leuchteten. »Dieses Erlebnisbergwerk interessiert mich schon lange.«
»Also fahren wir los.«
»Und was mache ich?«, fragte Anke.
Schnur schaute sie verdutzt an und wusste nicht, was er sagen sollte.
»Ich hätte eine Idee, was Anke in der Zwischenzeit machen könnte«, mischte sich Kullmann ein.
»Und das wäre?«
»Sie kann nach Karl Fechters Sohn suchen. Er heißt Tim und müsste heute Mitte oder Ende zwanzig sein.«
»Gute Idee!«, rief Schnur und war bereits im Flur und auf dem Weg zum Fahrstuhl, sodass Kullmann Mühe hatte, ihm zu folgen.
Am Aufzug holte er ihn ein.
Der Weg zum Erlebnisbergwerk Velsen führte über die Stadtautobahn in Richtung Klarenthal. Als sie die Autobahn verließen, fiel ihr Blick auf die beiden Fördertürme des ehemaligen Bergwerks Luisenthal. Diese Grube war durch das schwerste Grubenunglück in der saarländischen Geschichte bekannt geworden. Obwohl diese Tragödie schon lange zurücklag, blieb sie den Menschen immer noch sehr lebhaft im Gedächtnis. Im Jahr 1962 waren dort 299 Bergleute gestorben.
»Grubenunglücke passieren«, meinte Kullmann leise.
»Ich werde deine Arbeit bestimmt nicht anzweifeln«, erklärte Schnur. »Ich will einfach nur auf Nummer sicher gehen.«
»Und warum glaubst du, dass der Todesfall von letzter Woche mit dem Unglück vor elf Jahren zusammenhängt?«
Schnur steuerte den Wagen durch ein Waldstück. Er überlegte eine Weile, bis er sagte: »Es gibt zu viele Ungereimtheiten. Da sind Fakten, die du damals noch nicht auf dem Tisch hattest. Im heutigen Zusammenhang sehen sie ganz anders aus. Erstens wissen wir, dass die beiden Männer Karl Fechter und Winfried Bode bis heute nicht aufgetaucht sind. Hinzu kommt, dass Georg Remmark anschließend den Posten als Steiger übernehmen konnte.«
»Das wusste ich damals auch schon«, gab Kullmann zurück. »Ich hatte wirklich jeden Sprengsatz nachzählen lassen, in der Hoffnung, dass einer abhanden gekommen war. Aber nichts dergleichen. Außerdem hatte ich die Unglückstelle nach Resten einer Sprengladung untersuchen lassen.«
»Das Unglück ist es nicht allein. Hinzu kommen die vielen Todesfälle immer im Abstand von zwei Jahren – und jedes Mal als Unfall abgehakt. Wäre Peter Dempler nicht auf so spektakuläre Art und Weise zu Tode gekommen, würde dieses mysteriöse Sterben unter Tage weitergehen.«
Sie erreichten die Grube Velsen, bogen links ab und parkten den Wagen vor der Kaffeeküche.
»Hau Ruck!« »Hau Ruck!« »Hau Ruck!« Bei jedem weiteren Versuch, die Tür mit der Brechstange aufzubrechen, spornten sich die Männer aufs Neue an.
Die Tür schien unnachgiebig.
Erschöpft verschnauften sie eine Weile, bis Grewe sie aufforderte weiterzumachen. Sein schlechtes Gewissen trieb ihn ständig dazu an nachzusehen, ob sie jemand beobachtete. Aber sie waren in diesem Streckenteil ganz für sich allein.
Wieder legten sie mit einem »Hau Ruck« los.
Endlich gelang es ihnen. Knirschend und quietschend öffnete sich die schwere Tür.
Aufgeregt plapperten alle durcheinander, bis Grewe sie zur Stille ermahnte. »Wollt ihr, dass jemand mitbekommt, was wir hier tun?«
»Hier ist doch niemand. Wer soll uns hier schon ertappen?«, fragte Kevin. Seine Augen blitzten vor Neugier.
Grewe stimmte ihm zu. Auch seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
Alle starrten ihn fragend an, was er nun tun wollte. Die Entscheidung lag also letztendlich bei ihm. Wohl fühlte sich Grewe dabei nicht. Trotzdem gab er nach und zog die Tür ganz weit auf, sodass sie hineinschauen konnten.
Sie wussten nicht, was sie erwartet hatten. Auf keinen Fall das, was vor ihnen lag – im Abstand von einem Meter eine weitere Tür aus massivem Holz.
Verwirrt schauten sie sich an, bis Grewe vortrat und versuchte die Holztür zu öffnen. Doch auch diese war verschlossen. Er wollte gerade diese verbotene Expedition beenden, als er sah, dass die beiden Riegel dieser Tür auf der Außenseite lagen. Vorsichtig schob er sie zurück und zog die Tür auf. Die Innenseite war voller tiefer Krater, als sei sie mit einem Pickel bearbeitet worden. Ein mulmiges Gefühl überkam Grewe. Diese Spuren wirkten wie von Menschenhand erzeugt und nicht durch heruntergefallenes Geröll. Was war hier
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