Blutige Spuren
gut ist wie damals. «
Er wollte ihr sagen, dass das reine Spekulation war. Aber er wollte sie nicht verletzen. Isabel neigte nicht zu Hysterie.
» Hat er sich dir gegenüber in letzter Zeit sonderbar benommen, ich meine, anders als sonst? Aggressiv vielleicht? «
» Nein, nicht dass ich mich erinnere. «
Sie stöhnte.
Er merkte, dass sie ihn am liebsten angebrüllt hätte, dass er sich gefälligst jetzt erinnern sollte. Möglichst ruhig sagte er: » Er war wie immer. Verrückt und ein bisschen aufgedreht. Kein Anhaltspunkt für derartige Vorahnungen. «
» Was sollen wir machen? «
» Ruf ihn an. «
» Was? Ich kann ihn doch nicht in so einer … Er hat doch seinen Grund, warum er sich nicht zum Dienst gemeldet hat. Er will vermutlich seine Ruhe. «
» Dann ruf ihn nicht an. «
» Du bist eine echte Hilfe, Kai. «
» Ruf ihn an und frag ihn oder warte bis Montag. «
» Und wenn er nicht kommt? «
» Isabel, du steigerst dich in etwas hinein. Rede dich nicht in eine Sache, aus der du nicht mehr herauskommst. Das passt überhaupt nicht zu dir. «
Isabel schwieg. Dann lachte sie. » Okay, okay. Ich werde sehen. Ich dachte, als Vorgesetzter hast du … willst du … «
» Nein. Ich rufe meine Mitarbeiter nicht an, weil sie einen Tag unentschuldigt fehlen. Ich blättere nicht in ihren Kalendern, und ich mache aus einem Buchstaben keine tödliche Krankheit. Mach ich nicht. «
Sie lachte. » Manchmal bist du von einer ekelhaften Kaltschnauzigkeit. «
» Tja, das ist mein Job. Außerdem korrigiere ich dich kaltschnäuzig: Kaltschnäuzigkeit heißt das. «
» Wieso? Was ist denn das: Schnäuze? Schnäuzigkeit? Eure Sprache …! Ich muss dir noch etwas beichten. «
» Was denn? Hast du für ihn schon einen Sarg gekauft? «
» Kai!«
» Oder hast du Barbara das mit den Bärendärmen erzählt? «
»Nein, ich habe Saskia deine Telefonnummer gegeben. Könnte sein, dass sie dich anruft. «
» Wenn sie noch lebt …! «
» Ja, klar. Ach, hast du dir Sorgen um sie gemacht? Weil sie gestern nicht mit uns saufen war? Sie hat in Huths Wohnung eine Rechnung gefunden: Frank Huth muss Seesand gekannt haben, war wohl mit ihm essen. Saskia hatte Skrupel, dich samstags anzurufen. «
» Sie weiß eben, was sich gehört, Isabel. «
» Polizisten haben kein Privatleben « , feixte Isabel.
Sternenberg sah zum Bett hinüber. Es war leer. Julia war nicht da. Hatte kein Zeichen zurückgelassen, ob oder wann sie wiederkommt. Nicht ungewöhnlich für sie, aber er begann, diese Eigenschaft anstrengend zu finden.
» Stimmt « , sagte er. » Kein Privatleben. Noch was? «
» Nö. Ich meld’ mich, wenn ich … falls ich was von Dodo höre. «
» Okay. Schönes Wochenende. «
Er wählte die lange Vorwahl für Portugal und Coimbra. Sternenberg wollte endlich mal wieder mit Tatjana sprechen, ihre Stimme hören. Das Freizeichen klang nah. Aber es klingelte und klingelte, ohne dass jemand abnahm. Wahrscheinlich ist es zu früh für die Studentenbude, dachte er. Und dann die Stunde Zeitverschiebung. War es dadurch früher oder später in Portugal?
Er legte auf und versuchte es mit Hamburg. Aber Anja telefonierte gerade, und das konnte dauern.
Als er wieder auflegte, klingelte es bei ihm.
» Sternenberg. «
» Rixdorf. Guten Tag. Ich störe Sie äußerst ungern. «
» Sie stören nicht. «
» Ich habe eine persönliche Bitte. Allerdings mit einem dienstlichen Hintergrund. «
» Ja? «
» Ich habe Gelegenheit, mit jemandem aus der Leitung des BKA zu sprechen, sehr ausführlich. Das ist mir ein besonderes Anliegen. «
Das glaube ich, dachte Sternenberg. Wenn man Polizeipräsidentin werden will, muss man Allianzen schmieden und rechtzeitig nach Verbündeten Ausschau halten – oder Stellungen ausmachen, von denen aus Scharfschützen die Karriere ruinieren könnten.
» Sie haben schon gehört, dass ich von bestimmten Kreisen als Polizeipräsidentin gehandelt werde? Sie brauchen nichts dazu zu sagen. Ich will schon die Tatsache, dass ich im Gespräch bin, nutzen, um unser Verhältnis zum BKA zu verbessern. Ich denke, auch Sie wären ein guter Vermittler, aber leider ist man dort sehr hierarchieorientiert. Natürlich möchte ich außerdem den Fall von Haberstein ansprechen. Mein Termin ist morgen Abend. Ich hatte schon bei einer Fernseh-Diskussionsrunde zugesagt. Ich bitte Sie, für mich dort hinzugehen. «
» In eine Fernsehrunde? «
» Ja. Das Thema heißt: ›Beamte abschaffen?‹ Und sie wollen einen Vertreter der
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