Blutige Spuren
Mantel und wollte ihn gleich darauf wiederhaben, um seine Zigaretten aus der Tasche zu nehmen.
» Das gibt’s nicht « , flüsterte Isabel. » Seht euch das an. «
Zum ersten Mal sah Sternenberg Wolfgang Lichtenberg mit einer schwarzen Fliege. » Pscht « , zischte er.
Lichtenberg gab zuerst den Damen die Hand, formvollendet, bei Tarek war er flüchtiger, und Sternenberg schien Luft für ihn zu sein. Er nahm in dem Sessel Platz, den Isabel vom Nachbartisch erbeten hatte. » Wie könnt ihr in den Dingern sitzen? «
Tarek bat den Kellner, der sich servil gab, aber eher nach Bodybuilding-Studio aussah, ein weiteres Glas Champagner zu bringen.
» Nee « , warf Lichtenberg ein, » haben Sie auch was Richtiges, junger Mann? «
Der junge Mann verbeugte sich und rieb sich die Hände. » Selbstverständlich, mein Herr. Darf ich Ihnen die Cocktail-Karte bringen? «
» Nichts Gemixtes. Servieren Sie richtigen Whisky? «
Der Bodybuilder verneigte sich und ließ eine Hand aus der anderen abheben, sie startete schwungartig und neigte sich dann der Längswand der Bar zu. Die gesamte Wand war von hinten beleuchtet, davor standen reihenweise Flaschen. » Dies ist unsere Auswahl an Whisky, mein Herr. Was darf ich Ihnen bringen? «
Lichtenberg ließ den Blick über die ganze Wand schweifen, schien aber nicht beeindruckt zu sein: » Bringen Sie mir einfach ein volles Glas. Scotch. «
Der Mann wusch sich die Hände mit Luft. » Sehr gerne, ein volles Glas Scotch. Ein besonderer Wunsch? «
» Kein Eis. Kein Wasser. Keine Nüsse. Keine Fisimatenten. «
Der gebräunte Kellner verneigte sich erneut und ging schweigend.
» So, jetzt mal los « , sagte Sternenberg in Tareks Richtung.
Doch Tarek deutete zu Barbara: » Ich glaube, unsere neue Kollegin hat auch etwas Neues. «
Barbara nickte.
Sternenberg sah ihre Verlegenheit. Muss hier gleich mit uns in einer Bar sitzen, dachte er. Statt Feierabend und Freitagsparty alten Herren zuhören. Sein Blick fiel auf ihr Bauch-frei-Outfit. Vielleicht fühlt sie sich hier ja wohler als ich.
» Ich sollte etwas über Bären recherchieren « , sagte sie, im abgedunkelten Licht war nicht erkennbar, ob sie rot wurde.
Isabel, Tarek und Wolfgang verzogen keine Miene.
» Ich fasse mal zusammen: Man darf in Berlin natürlich keine Bären halten. Ausgenommen sind die beiden Zoos, durchreisende Zirkusse mit Sondergenehmigung und der Zwinger im Köllnischen Park. «
» Kenne ich nicht « , sagte Tarek.
» Eine Tradition in Berlin. Neben dem Märkischen Museum werden zwei Bären gehalten. Eine Zeitlang waren es sogar drei. Der Bär ist das Wappentier, deshalb. Die Gehege sind klein, aber die Fütterungen sind beliebt. Mehrfach gab es Probleme, weil Bären viel Nachwuchs bekommen. Das gilt auch für die Tierparks. Bären vermehren sich auch in Gefangenschaft leicht, deshalb ist die Nachfrage gering. Das hat zur Folge, dass viele Zoos junge Bären – sobald sie nicht mehr niedliche Attraktionen sind – töten und sogar den Raubkatzen vorwerfen. Gehäutet natürlich, damit die Zuschauer nichts merken. Die Berliner Zoo-Direktionen bestreiten, so zu verfahren. Sie hätten Überblick über ihre Tiere und versichern, dass es keine dunklen Kanäle gibt. «
» Was mich noch interessiert « , warf Tarek ein, » wie erkennt man eigentlich einen Bärendarm? «
Sternenberg zuckte zusammen. Von den Därmen hatte er ihr nichts gesagt.
Barbara war aber nun ganz Bären-Expertin. » Zuerst einmal an der Länge. Die Bären der meisten Gattungen sind in ausgewachsenem Zustand größer als der Mensch. Der Darm hat bei ihnen etwa die sechsfache Länge der Körpergröße. Beim Menschen sind es nur sechs Meter. Eigentlich müsste der Darm bei Bären kürzer sein als bei Menschen … «
Wolfgang Lichtenberg bekam seinen Whisky. Das Glas war genau bis zur Hälfte gefüllt.
» Wieso? « , fragte Isabel.
» Weil Bären ja Raubtiere sind. Löwen, Tiger, Hauskatzen – die brauchen alle nur einen kurzen Darm, weil sie ausschließlich Fleisch essen, dessen Zellen lassen sich leicht zersetzen. Das andere Extrem sind reine Vegetarier wie Kühe, die bestehen fast nur aus Darm. «
» Da kenne ich Leute « , belustigte sich Tarek, » bei denen ist das auch so. «
Barbara fuhr fort: » Bären hingegen sind Allesfresser, also muss ihre Verdauung auf beides ausgerichtet sein. Damit sind sie den Menschen relativ ähnlich. Es gibt aber einige Stoffe, die sie nicht verarbeiten können, ich glaube Zellulose … «
» Egal « ,
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