Blutige Stille. Thriller
und der linke Arm fühlt sich an, als wäre er in eine Häckselmaschine geraten. Ein endloser Schrei, der, wie ich sehr spät merke, aus meinem Mund kommt.
Wimmernd sehe ich auf meinen Arm, aus dem nur wenige Zentimeter unter dem Ellenbogen Blut spritzt. Mein Kleid färbt sich dunkel. Schmerz und Schock hämmern in meinem Kopf, ich fühle mich wie im Ring mit Mike Tyson, der in einem Anfall mörderischer Wut seinen Titel verteidigt.
»Wo ist der verdammte Junge?«, schreit er.
»In Sicherheit!«, stoße ich die Lüge mit einer Vehemenz aus wie sonst nur die Wahrheit. Mehr bringe ich nicht raus. Der Schmerz ist unerträglich, mein Kopf glüht. Mir wird schwindlig, Übelkeit steigt in mir hoch.
Bloß nicht ohnmächtig werden …
»Wo?«, sagt er, die Stimme wieder ruhiger.
Die Luft, die durch meine zusammengebissenen Zähne dringt, zerreißt mich bei jedem Atemzug. Die Kugel hat bestimmt meinen Arm gebrochen, und nur der Gedanke an meine .22er bewahrt mich davor, mich den dunklen Mächten der Ohnmacht hinzugeben.
»Glaubst du immer noch, ich würde dich nicht durchlöchern?«, sagt er.
»Hör auf damit«, krächze ich.
»Soll ich dir zeigen, wie ernst es mir ist?«
Bevor ich etwas erwidern kann, schwenkt er die Pistole nach rechts. Reflexartig will ich die .22er hervorholen, kann mich aber gerade noch bremsen. Wenn er mir in den rechten Arm schießt, bin ich so gut wie tot.
Doch er zielt auf Warner und schießt. Die Kugel bohrt ein zehn Cent großes Loch in die Stirn seines Komplizen. Warners Kopf schnappt zurück, Erstaunen im Gesicht. Dann fällt er wie ein Stein zu Boden.
Das macht meine Lage sicher nicht besser. Ich starre auf den toten Mann, sehe, wie die Blutlache um ihn herum immer größer wird.
Barbereaux richtet den Blick auf mich, die Augen so tot wie sein Kumpel auf dem Boden. »Sieht aus, als wären wir nur noch zu zweit.« Er zielt mit der Pistole auf mein linkes Bein. »Ein zerschmetterter Oberschenkelknochen ist ziemlich schmerzhaft. Ich schlage vor, du redest. Wo ist der Junge?«
Adrenalin durchflutet meinen Körper. Meine Arme und Beine zittern unkontrolliert, mir ist schwindlig und übel. Trotzdem, jetzt oder nie. Barbereaux wird mich töten und es so aussehen lassen, als hätten Warner und ich uns gegenseitig erschossen. Und er kommt ungeschoren davon.
»In einem Farmhaus in der Nähe«, sage ich.
»Wo?«
»Weiter unten an der Straße. Fünf Minuten von hier, an der Dog Leg Road links.« Ich nenne ihm eine fiktive Adresse, dann sehe ich rüber zu Warner. »Er lebt noch.«
Barbereaux dreht den Kopf, und das ist meine Chance. Ich richte die .22er auf ihn, was er in dem Moment sieht, als ich abdrücke.
Zwei Schüsse. Er schwankt, einen ungläubigen Ausdruck im Gesicht. Er hebt seine Waffe, und ich feuere die letzten drei Kugeln ab. Zwei in die Brust, eine in den Oberarm. Mehr Munition habe ich nicht. Mein Finger drückt weiter den Abzug, doch die Kammer ist leer.
Klick, Klick Klick
.
Barbereaux wankt zurück. Die Zeit steht still. Er starrt mich an, macht den Mund auf, hat Blut an den Zähnen. Und am Shirt. Er senkt den Kopf und sieht das Blut. Seine Beine geben nach, er sinkt auf die Knie, dann kippt er nach vorn und bleibt reglos liegen.
Ich hieve mich auf die Knie. Das Zimmer schwankt. Ich halte mir den Arm und robbe zu Barbereaux, der den Kopf zur Seite gedreht daliegt. Er lebt noch, hat die Augen auf mich gerichtet. Meine .38er liegt nur wenige Zentimeter von seiner rechten Hand entfernt, und ich weiß, ich verfälsche den Tatort, doch das ist mir egal.
Ich nehme die .38er und richte sie auf seinen Kopf. »Das ist für alles, was du Mary Plank angetan hast, du Monster.« Ich drücke ab, fühle nichts.
Es dauert eine Weile, bis mir bewusst wird, dass ich weine. Lautes, herzzerreißendes Schluchzen erfüllt das Haus mit meinem Schmerz. Ich muss über Funk Hilfe anfordern. Doch zuerst will ich mein Handy. Ich brauche Tomasetti.
Irgendwie schaffe ich es auf die Beine, stolpere durchs Dunkel. Im Licht des Fensters sehe ich meinen linken Arm an, der nutzlos herunterhängt. Blut tropft von den Fingerspitzen meiner tauben Hand. Unsäglicher Schmerz zieht hoch bis in meine Schulter.
Ich finde das Mobiltelefon und Ansteckmikro, melde mich über Funk. »Zehn-dreiunddreißig.« Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.
T.J.s Stimme meldet sich knisternd, doch ich sage nichts. Mir wird schwarz vor Augen, ein großes dunkles Loch zieht mich nach unten.
Fall nicht in Ohnmacht
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