Blutige Stille. Thriller
der Vater nicht identifiziert werden. Doch ich bin mir sicher, dass es von Barbereaux war.
T.J., Pickles und Mona haben drei Tage den Wald um Millers Pond durchforstet und schließlich den Baum gefunden, in den Mary Plank die Initialen von sich und ihrem Liebhaber geritzt hatte:
M.P. liebt S.B. für immer,
daneben ein Herz mit Pfeil. Während es ermittlungstechnisch kaum ins Gewicht fiel, war es für mich persönlich wichtig: Ich hatte meinen Beweis.
Ich habe die letzten Tage damit verbracht, aus den vielen Einzelheiten folgende Theorie zu entwickeln: Scott Barbereaux hat den Laden, in dem Mary arbeitete, mit Kaffee beliefert. Zudem hat er sich als Amateurfotograf gebärdet und dort manchmal Aufnahmen von Hochzeits- und Familienfeiern gemacht. So hat er Mary kennengelernt, seinen Charme spielen lassen, sie hofiert und letztlich verführt. Mary war so viel freundliche Beachtung von einem attraktiven Mann nicht gewohnt und vollkommen hingerissen. In den folgenden Wochen machte er ihr Geschenke, die in den Augen eines amischen Mädchens sehr großzügig schienen – englische Kleider, Dessous, Schmuck. Er hat sie in die Welt von Musik, Sex und Drogen eingeführt. Als sie schließlich jedes Urteilungsvermögen verloren hatte – entweder aufgrund ihrer Gefühle für Barbereaux oder wegen der Rauschmittel –, fing er an, ihr heimlich gefährliche Barbiturate und Sedativa wie Rohypnol zu verabreichen. Das war auch der Zeitpunkt, zu dem er mit den pornographischen Fotos und Videos von ihr anfing, wobei er seine Freunde Todd Long und Jack Warner als Darsteller benutzte.
Ich habe keine Zweifel, dass Mary Plank in Scott Barbereaux verliebt war. Sie wollte ihn heiraten, sein Kind haben und ein normales Leben führen. Sie war leicht zu beeinflussen, und sie wollte ihm gefallen. Doch ihre Naivität brachte das Böse in Barbereaux zum Vorschein. Er war ein klassischer Soziopath, der wusste, dass er alles mit ihr machen konnte. Diese Macht muss ihn so berauscht haben, dass es ihm irgendwann – nachdem er ihren Körper, ihren Geist und ihre Seele vergewaltigt hatte – nichts mehr ausmachte, ihr das alles anzutun.
Aber warum hat er die ganze Familie umgebracht? Auch dazu habe ich eine Theorie: Nachdem Mary ihren Eltern alles gebeichtet hatte – ihre Beziehung mit Barbereaux, die Drogen, die Pornos und das Kind, das sie in sich trug –, verletzten jene die amischen Regeln und beschlossen, zur englischen Polizei zu gehen. Aber dazu ist es nie gekommen, weil Barbereaux von ihrer Absicht Wind bekam und kurzerhand die ganze Familie auslöschte. Doch einfach nur Töten reichte ihm nicht, er filmte die Morde auch noch und verkaufte das Video als Snuff-Film auf dem Schwarzmarkt.
Mary Plank war nicht die Erste, der die drei Männer so etwas angetan hatten. In Barbereaux’ Haus wurden auch Aufnahmen von anderen Frauen gefunden, im Alter zwischen fünfzehn und zweiundzwanzig Jahren. Zudem haben wir Unterlagen eines Bankkontos auf den Kaimaninseln entdeckt, auf dem große Beträge fremdländischer Währungen deponiert waren. So hat er dort in den vergangenen sechs Jahren durch den Verkauf pornographischer Videos – inklusive einiger snuffartiger Produktionen – über fünfhunderttausend Dollar deponiert, wobei das meiste Geld aus den Philippinen, China, Nigeria und der Ukraine stammte. Da es sich um grenzüberschreitende Verbrechen handelt, wurde das FBI eingeschaltet, und zum ersten Mal in meinem Berufsleben war ich froh, einen Fall abgeben zu können.
Dass Skid noch lebte, erfuhr ich erst bei meiner Einlieferung ins Krankenhaus. Barbereaux und Warner waren im Schutz des Sturms unbemerkt in die Scheune eingedrungen und hatten auf ihn geschossen. Skid ist kein Anfänger, doch er hatte keine Chance, seine Waffe zu ziehen. Zuerst schossen sie ihm in den Rücken, doch die kugelsichere Weste schützte ihn. Als den beiden Männern das bewusst wurde, schossen sie ihn in den Kopf.
Kopfschüsse sind meistens tödlich. Die Kugel traf Skids Stirn aber in einem so günstigen Winkel, dass das .25er Kaliber abprallte, ohne den Schädel zu durchschlagen. So wurde er nur bewusstlos und trug eine schwere Gehirnerschütterung davon. Was seine Kollegen natürlich dazu animierte, schlechte Witze über seinen dicken Schädel zu machen. Auch ich konnte mir ein paar Lacher nicht verkneifen.
Nach ein paar Tagen im Krankenhaus habe ich es gegen den Rat der Ärzte auf eigene Verantwortung verlassen. Tomasetti hat mich abgeholt. Auf dem Weg nach
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