Blutige Stille. Thriller
gespieltem Bedauern den Kopf. »Auf keiner der CD s ist irgendwas Belastendes. Nur die kleine Schlampe, die das kriegt, was sie wollte. Was glaubst du denn, wer die extra für euch da hingelegt hat, Klugscheißer?«
Jetzt lächele ich. »Du hast’s versaut. Auf einer der CD s bist du nicht zu übersehen.« Ich muss Zeit gewinnen, ihn am Reden halten, nachdenken.
Neben ihm spuckt Warner Blut. »Gottverdammt … bring mich ins Krankenhaus. Ich verrecke …«
Barbereaux macht schnell einen Schritt von ihm weg, sieht mich irritiert an. »Schwachsinn. Ich hab mir jede einzelne angeguckt.«
»Wollen Sie wirklich Ihr Leben darauf wetten?« Ich zucke die Schultern, lasse die Bemerkung im Raum hängen. Als er nichts erwidert, füge ich hinzu: »Technologie ist wirklich eine faszinierende Sache. Sie würden staunen, was die Techniker heutzutage alles aus so einer CD rausholen können. Zum Beispiel die Narbe an Ihrer Hand.«
Er sieht schnell nach unten, dann wieder zu mir. Seine Augen sind so emotionslos wie die eines Toten. Ich spüre, dass er gleich das Gewehr heben und mich erschießen wird, und mein Drang, an sein Mitleid zu appellieren, ist riesengroß. Doch auch die Vergeblichkeit eines solchen Versuchs ist mir bewusst. Er ist ein Soziopath, unfähig zu Mitgefühl. Mein Herz klopft so laut, dass ich den Sturm draußen nicht mehr höre. Halt ihn am Reden …
»Wie konnten Sie den beiden Mädchen das antun?«, frage ich.
»Die Welt ist krank. Es geht immer nur um Geld. Der Snuff-Streifen ist an den Meistbietenden gegangen.« Er redet, als handele es sich um den Verkauf eines Gebrauchtwagens und nicht um die letzten Minuten im Leben von zwei unschuldigen Teenagern. »Es gibt ne Menge kranke Menschen da draußen. Die geilen sich an dem Todeszeug auf.«
Sein Mund verzieht sich zu einem schauerlichen Grinsen. »Wenn wir mehr Zeit hätten, würde ich gern ein Video von dir in den Klamotten machen. Ne Menge Männer fahren auf den Amisch-Scheiß ab. Ich wette, du hast ne enge kleine Möse da unten.«
Er sieht mich an wie ein Wolf das Kaninchen, das er gleich verspeisen wird. In einem Anflug von Verzweiflung frage ich mich, ob T.J. sie zum Haus hat kommen sehen oder ob der starke Regen das verhindert hat. Ich starre Barbereaux an, denke an die .22er an meinem Oberschenkel, und dass ich nur eine Sekunde brauche, um ans Ansteckmikro zu kommen. Doch ich bin todsicher tot, bevor ich auch nur eines von beidem berühre.
Ihn am Reden halten ist meine einzige Chance. »Wir wissen auch, dass Sie Long umgebracht haben.«
»Der ist an Dummheit gestorben.« Ein Hauch von Belustigung huscht über sein Gesicht. »Tödliche Dosis.«
»Sie können immer noch abhauen.«
»Glaube ich nicht.« Er hebt die Flinte.
Panik lähmt mich, ich kann nicht atmen, nicht denken. »Wenn Sie mich umbringen, werden Sie so lange gejagt, bis man Sie hat.«
»Ich bring dich nicht um.« Er blickt Warner an und flüstert: »Er macht’s.«
Ich sehe Warner an. Seine Gesichtsfarbe erinnert mich an glitschige Paste. Seine glasigen Augen sind auf mich gerichtet, als ich sage: »Sie sind der nächste Todd Long.«
Warner macht den Mund auf, doch keine Worte kommen heraus.
Barbereaux’ Finger krümmt sich um den Abzug.
Zu spät
, denke ich panisch, mache einen Satz auf ihn zu und stoße mit der Hand den Gewehrlauf nach oben. Ein Schuss geht los, der Rückstoß trifft mein Gesicht wie ein Schlag. Verputz regnet von der Decke. Barbereaux tritt zurück, richtet das Gewehr auf mich. Jetzt bin ich zu weit weg, um ihn aufzuhalten.
Wie in Zeitlupe sehe ich die Mündung aufblitzen. Ein Donnerknall. Ich fliege rückwärts ins Leere, meine Brust fühlt sich an wie von einer Axt getroffen, ich kann nicht atmen, nichts sehen. In meinem Kopf schreit es, Dunkelheit bricht über mich herein und reißt mich hinab in den Abgrund.
28 . KAPITEL
Tomasetti raste mit hundertsechzig Stundenkilometern über den Highway 62. Brinkhaven lag hinter ihm, und wenn er jetzt von einem Dorfpolizisten angehalten würde, sähe es nicht gut für ihn aus. Dank Kate war er in keiner guten psychischen Verfassung, und der Alkohol, den er schon vor dem Telefongespräch getrunken hatte, machte es auch nicht besser. Wie viele Promille er hatte, wusste er nicht, aber mehr als erlaubt waren es bestimmt. Und ob ihm notfalls seine Dienstmarke nützte, war ungewiss, denn nicht alle Polizisten spielten bei so was mit.
Die Panikattacke traf ihn aus heiterem Himmel. Eben noch hatte er das Gaspedal
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