Blutige Stille. Thriller
Taschenlampe aufleuchtet, sprintet die Silhouette davon.
Ich stecke das Handy in die Tasche, laufe durch die Küche, reiße die Tür auf und werde von einem Donnerschlag empfangen, der wie Kanonenfeuer klingt. Es regnet wie aus Kübeln. Ich mache die Umrisse meines Explorers aus, des Buggys. Dann nehme ich rechts von mir eine Bewegung wahr, drehe mich hin und sehe gerade noch, wie jemand über den Hof rennt.
»Halt!«, rufe ich. »Polizei! Bleiben Sie stehen!«
Die Gestalt läuft weiter.
Ich mache einen Satz die Veranda hinunter und renne hinter ihm her. Der Regen sticht wie Nadeln auf meiner Haut, und ich kann so gut wie nichts sehen. Als ich den Hof überquere, tauchen Blitze den entfernten weißen Lattenzaun und das dahinterliegende Maisfeld zusammen mit der Gestalt, die gerade über den Zaun klettert, in ein helles Licht. Ob der Täter an den Ort seines Verbrechens zurückgekehrt ist? Obwohl mein Wagen dick und breit vor dem Haus steht?
Auf dem Weg zum Zaun taste ich nach meinem Ansteckmikro. »235 hier! Bin auf der Plank-Farm. Hab ein 10–88. Brauche 10–78!«
»Äh … verstanden.« Die Pause ist zu lang. Es ist die Neue in der Zentrale. »Ähm … wen soll ich schicken?«
»Egal, aber schnell!«, schreie ich.
»Okay.«
Ich ziehe meine .38er aus dem Holster und renne los, aber wenig später verfängt sich mein Fuß in etwas, und ich lande mit den Armen voran so hart auf dem Bauch, dass mir die Luft wegbleibt und die Waffe entgleitet. Ich wirbele herum, trete das verdammte Ding weg – es ist Pflanzdraht! – und rappele mich wieder auf die Füße, lese meine Waffe aus dem Matsch auf und laufe weiter.
Mein Atem geht schnell und heftig, als ich den Zaun erklimme, und das Blut rauscht mir in den Ohren. Der Schein meiner MagLite fällt auf ein Meer aus Mais, ich renne zur ersten Reihe, dann ein Stück in die zweite hinein, meine Schuhe versinken im Matsch, Maiskolben schlagen mir ins Gesicht, ich renne zur nächsten Reihe, und blindlings immer weiter. Doch die Gestalt ist nirgends zu sehen.
Schließlich bleibe ich stehen, mit einem brennenden Schmerz in der Lunge. »Verdammte Scheiße.«
Als in dem Moment mein Handy klingelt, schreie ich fast los. Ich klappe es auf und fauche unwillig meinen Namen.
»Was zum Teufel ist passiert? Ich versuche die ganze Zeit, dich zu –«
Tomasetti
. Ich schließe die Augen, versuche, mich zu beruhigen. »Verdächtige Person am Tatort«, keuche ich.
»Bist du allein?«
»Verstärkung ist unterwegs.«
»Kate, verdammt nochmal …«
»Es ist alles okay.« Ich bin außer Atem und zu sauer, um zu reden. »Ich muss los.«
Ich höre noch halb, dass er etwas sagt, und klappe das Handy zu. Wie gern würde ich mir einreden, dass ich das Gespräch wegen der misslichen Umstände abgebrochen habe. Doch ich bin ehrlich genug, mir einzugestehen, dass ich nicht mit ihm reden will, weil ich ihn brauche. Und die Vorstellung, jemanden zu brauchen, macht mir Angst.
Ich leuchte mit der MagLite in die Richtung, aus der ich gekommen bin, und sehe, wie meine Fußspuren von dem heftigen Regen langsam ausgewaschen werden. Eine Stimme bellt durch mein Ansteckmikro. »Hier 289. Bin 10–76, Plank-Farm.«
Es ist Glock. Ich drücke aufs Ansteckmikro. »Bin westlich vom Haus im Maisfeld, gehe zurück Richtung Haus. Versuchen Sie, ihn an der Hogpath Road abzufangen.«
Das Mikrophon knistert. »Mit Ihnen alles okay, Chief?«
»Ja.«
Als ich schließlich das Haus erreiche, bin ich völlig durchnässt. Die Vorderseite meiner Uniform ist lehmverschmiert, und Erdklumpen fallen von meinen Stiefeln, als ich zum Explorer gehe. Frierend und stocksauer reiße ich die Tür auf, hole meine Regenjacke raus und ziehe sie über, als ich kurz darauf in Scheinwerferlicht getaucht werde.
Wenig später steigt T.J. aus dem Streifenwagen, Stablampe in der Hand, und kommt zu mir gelaufen. »Verdammt, Chief, alles okay?«, fragt er besorgt.
»Mir geht’s gut.« Ich erzähle ihm schnell von dem Tagebuch und der Gestalt an der Tür. »Ich hätte ihn vielleicht noch gekriegt, aber dann bin ich gefallen, und er ist im Maisfeld verschwunden. Glock versucht jetzt, ihn an der Hogpath Road abzufangen.«
»Haben Sie ihn erkannt?«
»Dazu konnte ich ihn nicht gut genug sehen.«
Er hält inne. »Glauben Sie, es war der Mörder?«
Experten behaupten ja, dass die meisten Mörder früher oder später an den Tatort zurückkehren, doch diesmal ergibt das einfach keinen Sinn. »Mein Wagen stand mitten auf dem Hof
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