Blutige Stille. Thriller
ziemlich alles verschrieben, von Valium über Antidepressiva bis hin zu Anxiolytika und Schlaftabletten. Die Antidepressiva waren ihm schlecht bekommen, und er hatte nach kurzer Zeit damit aufgehört. Doch alles andere schluckte er mit dem Enthusiasmus eines Drogensüchtigen, der auf Selbstzerstörung aus ist.
Die Pillen hatten seine Tage erträglicher und die Nächte weniger endlos gemacht. Und sie hatten bewirkt, dass er nicht länger überlegte, sich das Hirn wegzupusten. Wirklich besser ging es ihm dann aber nach dem Schlächter-Fall, bei dem er Kate kennenlernte. Er hatte sich selbst auf Entzug gesetzt, zwar nicht auf einen Schlag, aber nach und nach ließ er einfach eine Pille nach der anderen weg. Da es ihm gut damit ging, begann er, regelmäßig zu joggen und seinen Körper, dem er über zwei Jahre lang schlimm zugesetzt hatte, besser zu behandeln. Und ausgerechnet jetzt, wo er das Gefühl hatte, sein Leben wieder im Griff zu haben, wendete sich alles erneut gegen ihn.
Tomasetti wollte sein Leben zurück, seinen Job. Er wollte nach Painters Mill fahren und Kate wiedersehen, ihr bei dem Fall helfen. Ihr Anruf hatte ihm das alles erst so richtig klargemacht.
Es würde Kate nicht gefallen, aber er war beunruhigt wegen ihr. Und zwar sehr beunruhigt, um ehrlich zu sein. Denn das Schicksal war nun mal eine Hure und nahm ihm immer genau das weg, was er am meisten liebte.
Die Beziehung mit Kate verstieß gegen sein ehernes Prinzip, nichts mit Polizistinnen anzufangen. Wie ihre männlichen Kollegen waren sie oft sehr schwierig. Und da er schon genug eigene Probleme hatte, brauchte er nicht auch noch eine komplizierte Freundin. Er war nicht auf der Suche gewesen, und sie auch nicht – so jedenfalls stellten sie beide es dar.
Sie war eine der interessantesten Frauen, die er je kennengelernt hatte – stark, klug und sehr attraktiv. Und das sagte ein Mann, der sich nicht so leicht von einem hübschen Gesicht beeindrucken ließ. In ihrem Fall hatte er offensichtlich eine Ausnahme gemacht, denn sie hatte ihn beeindruckt, und zwar richtig.
Im Rückblick war Tomasetti klar, dass ihn zunächst nicht ihre Stärke, sondern ihre kaum wahrnehmbare Verletzlichkeit angezogen hatte. Und dann hatten sie sich auch noch in einer äußerst stressigen Zeit kennengelernt, was sein Schicksal endgültig besiegelte. Sie hatten kaum eine Woche zusammengearbeitet, da waren sie schon im Bett gelandet. Am Anfang war es eine rein körperliche Angelegenheit gewesen, doch wieder zurück in Columbus, merkte er, dass er doch mehr Gefühle für sie hegte, als ihm lieb war. Dass das irgendwie kein optimaler Zeitpunkt für eine tiefergehende Beziehung war, wusste er auch, aber wann scherte sich das Leben schon um ein perfektes Timing.
»Sie haben also immer noch Albträume«, sagte der Arzt. »Wie oft? Einmal die Woche? Zweimal? Oder noch öfter?«
»Ein paar Mal die Woche«, erwiderte John. »Nicht mehr so intensiv.«
»Ich wünschte, Sie würden Ihre Meinung hinsichtlich der Antidepressiva ändern.«
»Ich finde, mein Hirn hat auch ohne das Zeug schon genug Probleme.«
»Einige der Antidepressiva hatten ja tatsächlich in den letzten Jahren eine schlechte Presse. Aber wir könnten einen Blocker probieren, da gibt es ein paar gute auf dem Markt. Die Einnahme von Antidepressiva unter ärztlicher Aufsicht könnte Ihnen helfen, wieder auf die Füße zu kommen.«
Tomasettis Leben war jetzt schon so lange eine scheinbar unabwendbare Katastrophe, dass er nicht mehr daran glaubte, jemals wieder eine annehmbare Zukunft zu haben. »Vergessen Sie’s, Doc.«
»Wenn bei Ihnen ein chemisches Ungleichgewicht vorliegt –«
»Sie wissen so gut wie ich, dass ich nicht wegen eines verdammten chemischen Ungleichgewichts hier sitze, sondern weil die drei Menschen, die ich geliebt habe, niedergemetzelt wurden. Wie zum Teufel können Sie mir da mit einem beschissenen chemischen Ungleichgewicht kommen?«
»Stresshormone können den Serotoninspiegel beeinflussen.«
»Oder ich bin einfach nur stinksauer, weil ein Dreckskerl mir meine Familie genommen hat.«
»Ist es das, worüber Sie heute reden möchten?«
»Ich will heute über gar nichts reden. Verstehen Sie das?«
»Durchaus.«
»Wir beide wissen doch, dass ich nur aus einem Grund hier bin, nämlich weil ich meinen Job retten will.«
»Schön, dass Sie das mal ausgesprochen haben.« Hunt schenkte ihm ein kleines Lächeln. »Wie fühlen Sie sich damit, beurlaubt worden zu sein?«
»Beschissen. Ich
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