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Blutige Stille. Thriller

Blutige Stille. Thriller

Titel: Blutige Stille. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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Seiteneingang versuche ich, durchs Fenster zu sehen, aber die Vorhänge sind zu. Das Grundstück kommt mir verlassen vor – kein Auto im Freien, die Blätter nicht zusammengerecht, der Garten verwildert, alle Gardinen zugezogen. Ich gehe auf der Nachbarseite am Zaun entlang, der für mich zu hoch zum Drüberschauen ist, dann auf dem Weg nach links zur Garage.
    Da das Rolltor geschlossen ist, stoße ich die Tür im kleinen Zaun auf, die zum hinteren Garten führt. Auch hier ist das Gras kniehoch und die Platten des Pfads zum Haus sind kaputt. Ein zerbrochener Tontopf liegt genau unter der Veranda. Eines der hinteren Fenster ist mit einer schwarzen Mülltüte und Isolierband provisorisch repariert.
    »James Payne?« Mein Adrenalinspiegel steigt sprunghaft, als ich auf die Tür an der Ostseite der Garage zumarschiere. »Hier ist die Polizei. Ich muss mit Ihnen reden.«
    Das Fensterglas ist mit Farbe überstrichen. Jemand hat sich große Mühe gegeben, seine Privatsphäre zu schützen. Was mich aber eher nervös macht. Zudem dringt Musik von drinnen heraus, die quälenden Klänge einer Grunge-Band aus den neunziger Jahren. Ich drücke auf mein Ansteckmikrophon. »Jemand ist in der Garage. Kommt her.«
    »Bin unterwegs«, höre ich Glock antworten.
    Da Glock und Tomasetti in kaum einer Minute hier sein werden, gehe ich zur Tür und klopfe so fest, dass mir die Knöchel wehtun. »Polizei! Machen Sie auf!«
    Keine Antwort.
    Genervt drehe ich am Knauf und bin überrascht, dass die Tür nicht verschlossen ist. Ich stoße sie auf. Ohrenbetäubende Musik schlägt mir entgegen, die Bässe lassen meinen Körper vibrieren. Ich weiß nicht, wie Payne drauf ist, aber angesichts seiner gewalttätigen Vergangenheit lege ich die Hand auf meine .38er.
    In der Garage riecht es penetrant nach Farbe und brennenden Kerzen. James Hackett Payne steht in fünf Metern Entfernung mit dem Rücken zu mir. Mein schockiertes Hirn braucht einige Sekunden, um zu registrieren, dass er völlig nackt ist, was wohl auch daran liegt, dass so ziemlich jeder Zentimeter seines Körpers tätowiert ist.
    Einen Schreckmoment lang glaube ich, das Rote an seinen Händen wäre Blut, doch dann sehe ich das große Gemälde vor ihm, und mir wird klar, dass es Farbe ist.
    »James Hackett Payne?«, schreie ich, um die laute Musik zu übertönen.
    Langsam dreht er sich um, wobei er sich nicht die Mühe macht, seine Blöße zu bedecken. Mir fallen ein Dutzend Dinge gleichzeitig auf. Seine merkwürdigen Augen erinnern mich an Charles Manson, nur dass sie blau und extrem hell, ja fast weiß sind. Er hat entweder eine Glatze oder rasiert sich den Kopf, der mit einem Wolf tätowiert ist. Ich frage mich, ob ich einen bizarren Skinhead-Abkömmling vor mir habe. Auf seiner Brust sind Farbspritzer. Er ist erregt. Sein Glied steht auf Halbmast und ist mit roter Farbe bekleckert.
    »Würden Sie bitte Ihre Hose anziehen und die Musik leiser stellen, Sir? Ich muss mit Ihnen reden.«
    Er starrt mich so durchdringend an, dass sich die Haare auf meinen Armen sträuben. Er lächelt nicht, doch sein Blick ist amüsiert. »Natürlich.«
    Er zeigt auf die Trainingshose auf einer Stuhllehne. Ich nicke und trete zurück. Ich will nicht, dass dieser seltsame Typ mir zu nahe kommt. Ohne den Blick von mir abzuwenden, dreht er die Stereoanlage leiser und geht zum Stuhl. »Wenn ich gewusst hätte, dass Sie kommen, hätte ich mich vorher angezogen.«
    »Hätte ich gewusst, dass Sie nackt sind, hätte ich vorher angerufen.«
    In diesem Moment betreten Glock und Tomasetti die Garage, und ich sehe, wie sie bei Paynes Anblick große Augen machen. Beide sind erfahrene Polizisten und nicht leicht zu schockieren, doch als ich sehe, dass Payne genau das gelungen ist, muss ich ein Lächeln unterdrücken.
    Payne steigt lässig grinsend in seine Trainingshose. »Meine Arbeit erregt mich eben«, erklärt er sachlich. »Ich ziehe es vor … unbedeckt zu malen. Es bringt mich meiner Kunst näher.«
    Ich werfe einen Blick auf das Bild, das er gerade malt, und bin entsetzt. Es ist ein krasses Bild mit gewaltigen roten, schwarzen und gelben Pinselstrichen. Ich erkenne die Darstellung einer amischen Frau, die wohl gerade ein Kind geboren hat. Zwei amische Männer knien zwischen ihren Beinen und verschlingen ein schrecklich deformiertes Neugeborenes.
    Ich sehe Payne in die Augen. »Wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    Er bindet die Hosenschnur in der Taille zu. »Nur zu.«
    »Wo waren Sie Montagnacht?«,

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