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Blutige Stille. Thriller

Blutige Stille. Thriller

Titel: Blutige Stille. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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mit einem so schweren Schicksal, dass ich noch nicht zu ihm durchdringen konnte. Auch wenn er es abtun würde, halte ich es für gut möglich, dass ihm der Fall zu nahe gehen wird.
    »Ich bin froh, dass du hier bist«, sage ich nach einer Weile.
    »Das sagst du bestimmt zu allen Agenten vom BCI .«
    Ich lächele.
    Ein kurzes Klopfen, dann geht die Tür auf und Glock kommt herein. Beim Anblick von Tomasetti macht er große Augen, dann sieht er zu mir. »Tut mir leid, Chief, ich wusste nicht, dass Sie Besuch haben.«
    »Schon okay«, sage ich, froh über die Unterbrechung. »Was gibt es?«
    Er nickt Tomasetti im Gehen kurz zu und gibt mir ein Blatt Papier. »Sie werden’s kaum glauben.«
    Ich überfliege das Blatt, ein Polizeibericht aus Arcanum, Ohio, einer kleinen Stadt an der Grenze zu Indiana von vor zehn Jahren. Darin heißt es, dass vier Männer im Alter zwischen neunzehn und einundzwanzig Jahren verhaftet wurden, weil sie einen amischen Mann brutal zusammengeschlagen und ihm ein Ohr abgeschnitten haben. Das Ohr wurde nie gefunden und konnte deshalb nicht wieder angenäht werden. Einer der Männer, James Hackett Payne, gestand später, es gegessen zu haben. Alle Männer wurden zu fünf bis acht Jahren Gefängnis verurteilt. Mein Puls geht schneller, als ich sehe, dass Payne, jetzt neunundzwanzig Jahre alt, tatsächlich in Painters Mill wohnt. »Er hat am längsten gesessen, weil er aus purem Hass gehandelt hat«, sagt Glock.
    »Ich wette, das hat seine Weltsicht wesentlich verbessert.« Ich reiche John das Blatt.
    Er überfliegt den Bericht. »Es ist ein ziemlich weiter Weg von einer schweren Straftat bis zum siebenfachen Mord.«
    »Acht Jahre im Gefängnis reichen, um Zorn in eine Mordswut zu verwandeln«, sage ich.
    »Was für ein Mensch isst in Gottes Namen das Ohr eines Mannes?«, fragt Glock ungläubig.
    »Ein ziemlich verquerer Scheißer«, murmelt Tomasetti.
    »Ich verstehe das mit dem Hass nicht«, sagt Glock.
    Ich zucke die Schulter. »Für manche Menschen sind die Amischen eine leichte Beute.« Beide Männer sehen mich an. »Sie bezeichnen sie als
Clapes
, das ist eine Kurzform von ›Clay Apes‹, also Lehm-Affen, ursprünglich war das eine abfällige Bezeichnung für Bauern.«
    Glock schüttelt den Kopf. »Unglaublich, dass es offensichtlich schon so oft vorgekommen ist, dass es dafür sogar eine Bezeichnung gibt.«
    Ich sehe ihn an, weiß, dass er als afroamerikanischer Polizist selbst schon oft genug Zielscheibe von Hassattacken war.
    »Haben Sie eine Adresse von dem Kerl?«, fragt Tomasetti.
    Glock grinst. »Aber sicher.«
    Ich stehe auf. »Dann besuchen wir ihn jetzt.«
    »In dem Fall trage ich wohl besser meine Ohrenschützer«, sagt Glock.

14 . KAPITEL
    James Hackett Payne wohnt im Süden von Painters Mill. Das zweistöckige Backsteingebäude sieht alt genug aus, um als historisch durchzugehen, und steht zwischen uralten Ahornbäumen und Platanen auf einem großen Grundstück an einer baumgesäumten Straße. Ein verrotteter, mit Geißblatt überwucherter Sichtschutzzaun zieht sich die ganze Länge des Gartens entlang. Ich parke am Straßenrand, und wir steigen aus.
    »Lebt er allein?«, fragt Tomasetti.
    »Soviel ich weiß, ja«, erwidert Glock. »Hat das Haus letztes Jahr geerbt, als sein Vater starb.«
    »Wovon lebt er?«, frage ich.
    »Er kriegt eine Behindertenrente«, antwortet Glock.
    »Geistig oder körperlich?«
    »Steht nicht dabei.«
    »Na toll«, murmelt Tomasetti.
    Ich gehe den Bürgersteig entlang zu dem einst prachtvollen Haus, das aber nach jahrelanger Verwahrlosung nur noch ein großer, hässlicher Schandfleck ist. Das hohe Gras im vorderen Garten wird an vielen Stellen von orangefarbenen und roten Blättern niedergedrückt. Weiter hinten befindet sich eine freistehende Garage. Ich steige die Steintreppe hinauf zu der Rundum-Veranda, klingele und warte einen Moment, dann ziehe ich die Sturmtür auf und klopfe.
    »Verdammt unheimlich hier«, bemerkt Glock.
    Eine Minute verstreicht, doch es tut sich nichts. »Ihr zwei geht zu den Nachbarn«, sage ich. »Ich sehe hinterm Haus nach.«
    Tomasetti und Glock tauschen Blicke.
    »Ist was?«, blaffe ich sie an. »Ich checke nur, ob ein Auto in der Garage steht.«
    Glock nickt und geht durch den Garten zum Nachbarhaus. Tomasetti sieht mich auf eine Weise an, die ich nicht deuten kann, macht sich dann aber auf in die andere Richtung.
    Blätter rascheln unter meinen Füßen, als ich durch das Gras zur Rückseite des Hauses stapfe. Am

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