Blutige Stille. Thriller
Willen nimmt er mich für sich ein und bestätigt alles, was Aaron gesagt hat. Es klang nicht auswendig gelernt, doch nachdem ich aufgelegt habe, frage ich mich, ob sich die beiden Männer abgesprochen haben. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand seinen Liebhaber deckt.
Als Nächstes rufe ich das Sheriffbüro in Lancaster County an und werde mit Corporal Mel Rossi verbunden. Ich stelle mich kurz vor und berichte ihm von dem Fall.
»Ich habe von den Morden gehört«, sagt er. »Wirklich schlimm. Wissen Sie schon, wer es war?«
»Wir arbeiten noch dran.« Ich halte inne. »Ich wollte Sie bitten, einen Ihrer Deputys zu Bischof Fisher zu schicken, damit ich über Handy mit ihm sprechen kann.«
»Das müsste gehen.« Corporal Rossi hat einen starken New Yorker Akzent. »Geben Sie mir Ihre Kontaktinformationen, wir melden uns wahrscheinlich noch heute bei Ihnen.«
Ich gebe ihm die Nummer meines Mobiltelefons und lege auf, gespannt, ob der Bischof mir etwas mehr über die Planks erzählen kann. Und was er über Aaron Plank zu sagen hat.
Ich denke gerade darüber nach, als mein Telefon klingelt. Der Blick aufs Display verrät mir, dass die Telefonzentrale durchruft. Geistesabwesend drücke ich auf die Lautsprechertaste. »Ja?«
»Chief, Sie haben einen Besucher.«
»Wer ist es?«
»Ich bin’s.«
Die Stimme durchdringt mich wie ein Messer. Ich blicke auf und sehe John Tomasetti in der Tür stehen. Das sollte mich nicht überraschen, ich wusste, dass er kommt. Trotzdem durchfluten mich alle möglichen Emotionen: Schock, Freude, Unsicherheit, gefolgt von einer prickelnden Erregung, die meinen Herzschlag beschleunigt. Einen Moment lang bin ich sprachlos. Dann schwirren mir Tausende Worte durch den Kopf, die aber alle unangebracht sind.
»Was machst du hier?«, höre ich mich schließlich fragen.
»Ich war zufällig in der Gegend.«
Ich bin mir unsicher, ob das ernst gemeint ist, und lache nervös. »Du wohnst hundert Meilen weit weg, du kannst nicht einfach nur zufällig hier in der Gegend sein.«
Er hat den Gesichtsausdruck eines Pokerspielers. Normalerweise kann ich Menschen ziemlich gut lesen, aber nicht Tomasetti. Nicht zu wissen, was er denkt, verunsichert mich. Er starrt mich an, sein Gesicht ist unergründlich wie ein Stein. »Ich dachte, du könntest ein wenig Hilfe bei deinem Fall gebrauchen.«
Das nachfolgende Schweigen überdauert Dutzende Herzschläge. Tomasetti senkt den Blick, wechselt von einem Fuß auf den anderen und sieht einen Moment lang so unsicher aus, wie ich mich fühle.
»Wenn das so ist, dann nimm Platz.« Ich schicke den Worten ein Lächeln hinterher, dann blicke ich auf meine Notizen.
Er setzt sich auf den Stuhl mir gegenüber. »Also, was hast du alles?«
Erleichtert, mich auf das vertraute Terrain der Polizeiarbeit flüchten zu können, berichte ich ihm vom derzeitigen Stand der Ermittlungen.
»Hältst du es für möglich, dass dieses Mädchen, Mary, ihre Tagebuchaufzeichnungen ausgeschmückt hat?«, fragt er.
»Eher nicht.« Ich suche nach den richtigen Worten. »Sie besitzen eine Ernsthaftigkeit, eine Naivität, die man schwer vortäuschen kann.« Ich seufze. »Sie hat den Kerl geliebt.«
»Dann ist der Liebhaber ein Verdächtiger?«
»Sie war schwanger. Und minderjährig.«
»Könnte ein Motiv sein. Sonst noch wer?«
»Aaron Plank. Aber er kommt eigentlich nicht in Betracht, jedenfalls noch nicht.« Ich werfe ihm über meine Notizen hinweg einen kurzen Blick zu und sehe, dass er mich anstarrt. »Aber er hatte Probleme mit seinen Eltern, wurde mit siebzehn exkommuniziert. Das war nicht leicht für ihn, vielleicht war er auch schon ganz lange ziemlich wütend. Vielleicht konnte er auch nicht loslassen.«
»War er so wütend, dass er seine Brüder umbringt und seine Schwestern foltert?«
»Das ist genau mein Stolperstein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das fertigbringt.«
»Gut. Was hast du sonst noch?«
»Jemand bricht ins Haus ein, um zu stehlen, es läuft schief. Dass er sie alle umbringt, könnte ein spontaner Entschluss gewesen sein. Oder es war ein Verbrechen aus Hass.«
»Du hältst dir alle Optionen offen.«
»Nichts scheint wirklich gut zu passen.«
»Na ja, wenn ein Mord jemals nachvollziehbar wäre, hätten wir’s wesentlich einfacher.« Er nimmt sich Marys Tagebuch von meinem Schreibtisch. »Sie nennt den Liebhaber nie beim Namen?«
Ich schüttele den Kopf. »Es gibt weder einen Namen noch sonst was Konkretes.«
»Klingt, als hätte er ihr
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