Blutige Stille. Thriller
das?«
»Ein Jagdgewehr. Und ein Revolver, der meinem Großvater gehört hat.«
Ich schreibe es in mein Notizbuch. »Wem haben Sie sie verkauft?«
»Dem Leihhaus in Mansfield. Gut möglich, dass ich die Quittung noch hab.«
»Finden Sie sie«, sage ich. »Vielleicht wird sie noch gebraucht.«
»Okay.«
»Arbeiten Sie?«, fragt Tomasetti.
»Bin jetzt seit zwei Jahren bei der Bahn.«
»Wie steht’s mit einer Freundin?«, will ich wissen.
»Was für eine Frage ist das denn?«
»Eine, die Sie beantworten müssen«, fährt Tomasetti ihn an.
»Keine feste.«
Mir fällt gerade etwas ein. »Kennen Sie einen Scott Barbereaux?«
Long gibt sich grüblerisch. »Keine Ahnung. Vielleicht bin ich mit ihm zur Schule gegangen.«
»Das hätten wir schon gern etwas genauer«, sage ich.
Er sieht mich an, als verstünde er die Bedeutung der Worte nicht. »Ich glaube, wir sind zusammen zur Schule gegangen.«
»Waren Sie Freunde?«
Long schüttelt den Kopf. »Er hatte es immer mit dem Sport, Football und so. Ich war mehr ein … Rowdy.«
Tomasetti sieht ihm fest in die Augen. »Ist das die Wahrheit?«
Long kann seinem Blick nicht standhalten und sieht auf den Boden. »Ich hab keinen Grund zu lügen. Ich hab nichts verbrochen.«
»Wenn sich herausstellt, dass Sie uns auch nur die kleinste Lüge aufgetischt haben«, lässt Tomasetti ihn wie nebenbei wissen, »komme ich zurück und sorge dafür, dass es Ihnen leid tut. Haben Sie das verstanden?«
Schweiß tritt auf Longs Stirn, und er begegnet flüchtig Tomasettis Blick. »Ja, hab ich.«
16 . KAPITEL
Tomasetti schiebt sich hinters Steuer und fährt los. »Na, der Typ hat ja geschwitzt wie ein Bär.«
»Interessante Reaktion für einen unschuldigen Mann.«
»Wobei
unschuldig
relativ ist.«
»Glaubst du, er hat was mit den Morden zu tun?«, frage ich.
»Schwer zu sagen. Er kommt mir eher wie ein Spinner vor.« Er sieht mich an. »Und was glaubst du?«
Ich denke an Mary Plank und den Mann in ihrem Tagebuch. »Die Geschmäcker sind zwar verschieden, besonders wenn es um das Herz eines jungen Mädchens geht, aber ich glaube nicht, dass Todd der Mann ist, über den sie in ihrem Tagebuch geschrieben hat.«
Tomasetti hebt die Augenbraue. »Er ist nicht gerade groß, dunkelhaarig und gutaussehend.«
»Eher nicht.«
»Du weißt doch, dass Liebe blind macht.«
»Nicht
so
blind.« Erst jetzt merke ich, dass wir nicht auf dem Weg zum Revier sind. »Wo fährst du hin?«
»Ich brauche einen Drink.«
Der Vorfall auf der Farm schießt mir durch den Kopf. »Nach allem, was gerade in dem Farmhaus passiert ist, willst du einen Drink? Soll das ein Witz sein?«
Er fährt auf den Parkplatz von McNarie’s Bar und stellt sich neben einen alten Camaro. »Es ist fast neun Uhr. Seit wann bist du auf? Tagesanbruch? Oder vielleicht hast du letzte Nacht überhaupt nicht geschlafen.«
Letzteres kommt der Wahrheit am nächsten, doch das werde ich nicht zugeben. Denn außerhalb der Arbeit mit Tomasetti zusammen zu sein, ist gefährlich. Und mit ihm einen trinken zu gehen, kommt einer vorprogrammierten Katastrophe gleich. »Ich muss mir noch die Kontaktinformationen von diesem Jack Warner besorgen und Longs Alibi überprüfen«, sage ich.
»Dieser nervöse Typ konnte es sicher kaum erwarten, seinen Kumpel anzurufen, sobald wir aus der Tür waren.« Tomasetti steigt aus.
Ich bleibe leise fluchend sitzen. Er geht vorn um den Tahoe herum und öffnet die Beifahrertür. »Komm schon. Lass uns was essen. Wir können ja noch weiter über den Fall reden.«
»Das machen wir garantiert nicht«, blaffe ich ihn an.
»Du willst mich doch nicht etwa analysieren?«
Ich schüttele den Kopf. »Du nervst.«
»Das ist das Netteste, was ich die ganze Woche zu hören bekommen habe.«
McNarie’s Bar ist eine Kneipe im klassischen Sinne, mit roten Kunststoffbänken, verkratzten Resopaltischen und so stickiger Luft, dass sie in den meisten anderen Bundesstaaten schon längst vom Gesundheitsamt geschlossen worden wäre. Aber sie ist auch meine bevorzugte Zufluchtsstätte. Die Klientel ist eher zurückhaltend, die Musik erschüttert nicht mein Hirn, die Burger sind ziemlich gut, und McNarie, der bärenhafte Besitzer und Barkeeper, ist ein guter Zuhörer und wesentlich diskreter als die meisten Polizisten, die ich kenne. Nachdem der Schlächter-Fall im Januar abgeschlossen war, hatte ich diverse Abende mit einigen Wodkas in der Ecknische verbracht, und McNarie hatte immer dafür gesorgt, dass ich sicher
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