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Blutige Stille. Thriller

Blutige Stille. Thriller

Titel: Blutige Stille. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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nach Hause kam.
    Tomasetti steuert auf die hintere Nische zu. Als ich mich ihm gegenüber auf die Bank setze, schmettern Big Head Todd and the Monsters gerade ihren Song »Bittersweet«. Um Gelassenheit bemüht, erhasche ich McNaries Aufmerksamkeit und bedeute ihm, zu uns zu kommen.
    »Nett«, bemerkt Tomasetti. »Du kennst den Barkeeper.«
    »Hm.«
    McNarie stellt sich vor unseren Tisch, die Hände auf die Hüften gestemmt. »Immer wenn ich Sie beide zusammen sehe, weiß ich, dass was Schlimmes passiert ist.« Sein weißer Vollbart hängt wie eine Wollsocke am Kinn, und die ebenfalls weißen Augenbrauen sitzen tief über rotgeränderten Augen. »Wissen Sie schon, wer’s war?«
    »Wir verfolgen mehrere Spuren«, erwidere ich.
    »Ein gefährlicher Bursche, der ne ganze Familie umbringt.« Er schüttelt den Kopf.
    »Haben Sie irgendwas gehört, McNarie?«
    »Absolut nix. Die Leute hier haben verdammte Angst, verriegeln jetzt sogar ihre Türen.« Er blickt zur Bar, wo eine Frau in Jeanskleidung darauf wartet, bedient zu werden. »Für Sie das Gleiche wie immer, Chief?«
    Ich nicke, doch es ist mir peinlich, dass ich schon so viel Zeit hier verbracht habe, um »das Gleiche wie immer« zu kriegen.
    McNaries Blick wandert zu Tomasetti. »Und Sie?«
    Tomasetti besitzt die Frechheit, amüsiert zu grinsen. »Ich nehme das Gleiche wie sie.«
    Der Barkeeper eilt weg. Tomasetti lächelt mich an. »Wie immer, ja? Hab ich dich erwischt.«
    Ich sehe ihn an – im Grunde das erste Mal richtig, seit er vor ein paar Stunden in mein Büro kam. Ich kenne John Tomasetti seit zehn Monaten, und besonders locker war er nie. Doch jetzt ist er noch angespannter als sonst, sein Gesicht noch hagerer. Ich weiß, er ist zweiundvierzig Jahre alt, hat also elf Jahre mehr auf dem Buckel als ich, doch er wirkt älter. Denn das, was seine Augen schon alles gesehen haben, haben ihn auf eine Weise gezeichnet, die nichts mit dem Alter zu tun hat. Ich lese so viel in seinem Gesicht, dass es manchmal wehtut. Und manchmal flößt mir sein Anblick geradezu Angst ein.
    Wenn man sagen würde, er habe Probleme, wäre das eine Untertreibung. Ein paar der Dämonen, die ihn regelmäßig heimsuchen, kenne ich, doch über die meisten will er nicht reden. Wie über jene Nacht, in der Con Vespian, ein Drogenhändler, seine Frau und zwei kleinen Töchter gefoltert und bei lebendigem Leibe verbrannt hat. Einen solchen Verlust hätten viele Menschen nicht überlebt. Tomasetti schon – er atmet, isst und schläft. Doch während überleben für viele Menschen etwas mit leben zu tun hat, fällt er in die Kategorie derjenigen, die bloß noch existieren. Er verbringt viel Zeit damit, sich aus einem tiefen, schwarzen Loch ans Licht zu arbeiten.
    John Tomasetti gehört zu jenen Polizisten, die sich auf dünnem Eis bewegen. Er trinkt zu viel, und noch vor wenigen Monaten hat er seine Dämonen mit Pillencocktails in Schach gehalten – in seinem Beruf ist das ein gefährliches Mittel. Wir beide wissen, dass er seinen Job nur noch hat, weil er ein exzellenter Polizist ist, die Frage ist nur, wie lange noch.
    »Also, wie geht es dir wirklich?«, frage ich ihn schließlich.
    »Na ja, sagen wir, ich mache Fortschritte.«
    McNarie kommt, stellt zwei Killian’s Irish Red-Biere und zwei Schnäpse vor uns auf den Tisch. Tomasetti lächelt mich an, und wir kippen die Schnäpse runter.
    »Und wann hast du vor, deinen Vorgesetzten beim BCI zu sagen, was du gerade machst?«
    Er blickt auf die Armbanduhr. »Gut möglich, dass sie inzwischen selbst draufgekommen sind.«
    »Und wie willst du damit umgehen?«
    »Du meinst, wie sich das auf deinen Fall auswirkt?«
    »Nein, das meine ich nicht.« Doch seine Beurlaubung – und der damit verbundene inoffizielle Status – kann zum Problem werden, wenn wir nicht vorsichtig sind.
    Er zuckt die Schultern. »Ich halte mich im Hintergrund. Helfe dir, wenn du das BCI hinzuziehen musst.«
    »Deine Freunde in den unteren Etagen kommen dir da sicher gelegen.«
    »Kate, meine Anwesenheit hier verstößt gegen kein Gesetz. Ich will arbeiten. Ich muss arbeiten. Auch wenn es inoffiziell ist, helfen kann ich trotzdem.«
    Der Wodka fängt an, mit seinen magischen Fingern meinen Verstand zu kneten, und meine anfängliche Besorgnis schwindet dahin. An ihre Stelle tritt jene schleichende Unruhe, die mich zu Dingen verleitet, die ich lieber lassen sollte. So wie hier zu sitzen und zu trinken.
    Tomasetti lehnt sich auf der Bank zurück und puhlt das Etikett von

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