Blutige Stille. Thriller
»Der dunkle Pick-up, nach dem du gefragt hast?«
Ich bin in Gedanken immer noch bei dem, was er mir gerade erzählt hat, und das plötzliche Umschalten fällt mir schwer. »Haben sie was gefunden?«
»Das BCI hat eine Liste zusammengestellt, sortiert nach Farbe und County. Sie faxen sie an Glock.«
»Ich dachte, du bist inoffiziell hier?«
Er lächelt. »Ich habe Freunde in den unteren Etagen.«
»Wie viele Fahrzeuge?«
»Zweiundvierzig.«
»Wie viele blaue und schwarze?«
Er sieht auf seine Notizen. »Elf blaue und sechs schwarze.«
Ich habe bereits mein Handy in der Hand und wähle die Nummer von Glock, der beim ersten Klingelton abnimmt. »Haben Sie die Liste bekommen?«, falle ich mit der Tür ins Haus.
»Liegt vor mir.«
»Gibt’s Besitzer mit Vorstrafen?«
»Bin gerade dabei, das rauszufinden.« Am anderen Ende klappert eine Tastatur. »Ich hab drei Treffer. Colleen Sarkes, blauer Toyota Tundra, Baujahr 2007. Trunkenheit am Steuer in 2006, dann noch mal letztes Jahr.«
»Ich will nur Männer«, sage ich.
»Robert Allen Kiser. Schwarzer F-250, Baujahr 2009. Letztes Jahr verurteilt wegen häuslicher Gewalt.«
»Der Dritte?«
»Todd Eugene Long, schwarzer Chevrolet, Baujahr 2006. Vor einem Jahr verurteilt wegen Einbruchs.«
»Ich brauche die Adressen.«
Klick, klick, klick
. »Kiser wohnt in der Stadt.« Er hält inne. »Long lebt im Melody Trailer Park, der Wohnwagensiedlung am Highway.«
Das ist ganz hier in der Nähe. »Ich übernehme Long. Schnappen Sie sich T.J. oder Pickles und gehen Sie zu Kiser.«
»Bin schon unterwegs.«
Ich schiebe mein Telefon zurück in die Gürteltasche und wende mich Tomasetti zu. »Ich habe einen Namen. Gehen wir.«
Er ist bereits auf dem Weg zur Tür. »Noch mal davongekommen!«, erwidert er nur mit Blick auf sein Handy.
***
Der Melody Trailer Park liegt zehn Minuten von der Plank-Farm entfernt. Die Siedlung ist älter als ich, und ihre Blütezeit hat sie schon lange hinter sich. In den 1970er Jahren war sie ein erstklassiger und sehr gepflegter Standplatz für Wohnmobile und Wohnwagen gewesen, in der junge Ehepaare ebenso wie Rentner lebten. Doch die Zeit und auch die Umstände hinterlassen auch an den beliebtesten Orten ihre Spuren, und so war irgendwann auch der Melody Trailer Park dem Niedergang geweiht.
Tomasetti steuert den Tahoe auf eine Straße voller Schlaglöcher. Die Walnussbäume an der Südseite verlaufen parallel zu einem kaputten Zaun, der die Grenze zwischen der Siedlung und einem Weizenfeld markiert. Auf der gegenüberliegenden Seite säumen zwei Dutzend Wohnanhänger die Straße wie Unfallwagen, die auf den Schrotthändler warten. Die meisten sind von Rost zerfressen und von schwarzem Ruß überzogen, der vom Dach runterläuft. Mein Blick fällt auf zerbrochene Fenster, schiefhängende Fliegenschutzfenster und -türen, die bedenklich an einer einzigen Angel baumeln. An zwei Wohnwagen fehlt unten die Schutzverkleidung, die im Winter das Einfrieren der Rohr-leitungen verhindern soll.
Der Anblick dieser Armut in meiner Stadt macht mich traurig. Ich komme aus einer Familie, die wirklich nicht reich war. Aber meine Eltern hatten immer dafür gesorgt, dass genug Essen auf dem Tisch stand und wir ein Dach über dem Kopf hatten. Und sie haben uns ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Mein Leben war sicher nicht perfekt, doch meine Probleme hatten nichts mit Geld zu tun.
»Ein trostloser Ort«, bemerkt Tomasetti.
»Wenn die Temperatur unter null fällt, möchte ich hier nicht wohnen.«
»Wie lautet die Adresse?«
Ich blicke auf mein Notizbuch. »Decker Nummer fünfunddreißig. Ich glaube, die Straße liegt ganz hinten.«
Als wir hinfahren, verschwindet gerade das letzte Tageslicht. Die auf den Randstein gepinselten Platznummern sind verblichen und kaum lesbar, aber wir entdecken die Fünfunddreißig am Ende des Wegs. Das Wohnmobil wirkt gepflegt und ist von einer Handvoll Ahornbäumen und Platanen umgeben, die es rund um die Uhr in Schatten tauchen. Blutrote Blätter bedecken Hof und Einfahrt. Vor dem Eingang hat ein geschickter Handwerker eine Holztreppe und Veranda gebaut, die aber vom Zahn der Zeit und den Naturgewalten in ein tristes Grau verwandelt und ihrer Ansehnlichkeit beraubt wurden. In der Einfahrt steht ein schwarzer Chevrolet-Pick-up mit einer tiefen Delle in der Tür.
»Da ist der Wagen«, sagt Tomasetti.
Ich steige aus, gehe die knarrenden Treppenstufen hinauf und hoffe, dass das Holz hält. Ich klopfe und warte, während
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