Blutige Stille. Thriller
dass sie das nicht verstehen würden. Aber ich brauche ihren Segen, wenn ich die Glaubensgemeinschaft verlasse. Ich bin so durcheinander, ich weiß nicht, was ich machen soll!
»O je«, stöhnt T.J. »Armes Kind.«
Ich erzähle ihm von der Flasche. »Tomasetti und ich sind auf dem Weg zu Hire’s Carry-Out.«
»Kann ich noch irgendwas tun, Chief?«
»Drücken Sie einfach die Daumen, dass der Laden ordentlich Buch führt.«
19 . KAPITEL
Hire’s Carry-Out liegt am Highway 83, kurz vor der Kreuzung Township Highway 62. Der Laden führt Grundnahrungsmittel wie Milch, Brot, Limonade und Wurstaufschnitt, doch das Hauptgeschäft macht er mit dem Drive-in-Verkauf von kaltem Bier, Wein und Zigaretten. Wenn auf der nahe gelegenen Rennbahn ein Rennen stattfindet, ist die Schlange hier so lang, dass sich der Verkehr auf beinahe fünfhundert Meter staut.
Vor ein paar Jahren hatte ich Art Hire verhaftet, weil er einem fünfzehnjährigen Mädchen ein Sechserpack Little King’s Cream Ale verkauft hat. Er behauptete zwar, sie hätte erwachsen ausgesehen, doch da er alt genug ist, um zu wissen, dass Körbchengröße C nichts mit Volljährigkeit zu tun hat, wurde er zu einer saftigen Strafe verdonnert. Deshalb nehme ich nicht an, dass er keinen Groll gegen mich hegt, das wäre wohl zu optimistisch gedacht.
Beim Betreten des Ladens bimmelt die Glocke am Eingang. Sofort steigt mir der Geruch von altem Holz, Staub und verdorbenem tiefgefrorenem Fleisch in die Nase. Wir gehen an den Regalen mit Brot und abgepackten Kuchen vorbei direkt zu Art Hire, der an der Kasse beim Drive-in-Fenster sitzt. Über ihm an der Wand hängt ein voll aufgedrehter kleiner Fernseher, in dem gerade ein Baseballspiel läuft. Er raucht eine braune Zigarette, die in seinen Bratwurstfingern ungewöhnlich dünn wirkt.
Art Hire ist ein beleibter Mann mit kleinen Schweinsäuglein und vollen, weiblichen Lippen. Als ich schon fast bei ihm bin, sieht er von seinem
Muscle Car Magazine
auf und bedenkt mich mit einem »Was-hab-ich-jetzt-schon-wieder-verbrochen«-Blick. Offenbar hat er das mit dem Bierverkauf an eine Minderjährige nicht vergessen.
»Mr Hire, wenn Sie einen Moment Zeit haben, würde ich Ihnen gern ein paar Fragen stellen«, beginne ich.
Seine Zähne haben die Farbe von reifem Mais. »Eigentlich sollte die Polizei bei sieben ungeklärten Morden doch Besseres zu tun haben, als gesetzestreue Bürger zu schikanieren.«
Ich ignoriere den Seitenhieb, hole die Weinflasche aus der Tüte und stelle sie auf den Tresen. »Stammt die aus Ihrem Laden?«
Er betrachtet die Flasche mit zusammengekniffenen Augen. »Wie soll ich das wissen?«
»Jedenfalls sind Sie der Einzige in der Stadt, der diese Sorte Chianti verkauft.«
Missgelaunt zieht er seine Lesebrille aus der Hemdtasche, schiebt sie auf die Nase, beugt sich vor und sieht das Etikett an. »Die Flasche kostet fünf Dollar neunundneunzig. Wird nicht oft verkauft. Die meisten Kunden ziehen ein gutes altes Bud vor.«
»Ich brauche den Namen des Käufers.«
»Den hab ich nur, wenn er mit Scheck oder Kreditkarte bezahlt hat. Wenn’s bar war, haben Sie verdammtes Pech gehabt.«
»Können Sie nachsehen?«, frage ich. »Ich weiß sogar den Tag, an dem sie gekauft wurde.«
»Möglich.« Seine fleischige Schulter geht kurz hoch und wieder runter. »Wie weit liegt’s zurück?«
»22. September.«
Sein Gesicht nimmt einen blasierten Ausdruck an. »Wir heben die Belege nur einen Monat auf.«
»Was ist mit Überwachungskameras?«, fragt Tomasetti.
»Kann ich mir nicht leisten.« Er grinst mich höhnisch an. »Besonders nachdem die Polizei dieser Stadt mir derart eins reingewürgt hat. Die Strafe hat mich fünfhundert Dollar gekostet.«
Ich versuche es weiter. »Und was ist mit Kreditkarteninfos? Die speichern Sie doch bestimmt länger als einen Monat.«
Er widmet sich wieder seiner Zeitschrift, blättert weiter. »Nee. Bestimmt nicht. Das wäre gegen die Bankvorschrift.«
Verärgert sehe ich Tomasetti an. Er lächelt mir kurz zu, dann geht er den schmalen Gang entlang zum hinteren Teil des Ladens. »Riechst du auch was Komisches?«, fragt er.
Er steht neben der Tür zum Kühlraum, und erst jetzt wird mir klar, worauf er hinaus will. »Ja, du hast recht. Es riecht irgendwie nach verrotteten Lebensmitteln.«
Hire richtet sich in seinem Stuhl auf. »Was reden Sie denn da? Ich hab den Kühlraum gerade erst saubergemacht. In diesem Laden ist nichts verrottet.«
»Sicher?« Tomasetti zeigt mit dem
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