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Blutige Stille. Thriller

Blutige Stille. Thriller

Titel: Blutige Stille. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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getrunken und miteinander geschlafen.«
    »Hat der Freund geraucht?«
    »Davon hat sie nichts geschrieben, aber Evelyn Steinkruger hat gesagt, Mary sei einmal zurückgekommen und hätte nach Zigaretten gerochen.«
    »Selbst wenn wir eine Kippe finden, kriegen wir nicht zwangsläufig DNA . Und falls doch, ist es nicht ungesetzlich, hier draußen zu rauchen. Hilft uns also nicht weiter.«
    »Es sei denn, die DNA passt zu der in Marys Körper.«
    »Stimmt auch wieder.« Er rollt die Hemdsärmel hoch. »Dann gucken wir mal, ob sie uns irgendwas Brauchbares hinterlassen haben.«
    Wir fangen mit der Gegend um den Schotterparkplatz an. Ich suche im näheren Umkreis, wo Insekten in hüfthohem Unkraut surren. In dieser späten Jahreszeit ist alles gelb und trocken und mit einer dünnen Staubschicht überzogen. Tomasetti sieht sich die dickeren Bäume entlang des Feldwegs an, der zurück zur Hauptstraße führt. Ich hebe mit dem Papiertuch eine Schokoladenverpackung auf und werfe sie in die Tüte, wobei mein Kopf nicht aufhört, das Wort
vergeblich
zu singen.
    Nach fünfzehn Minuten habe ich das Gebiet vollständig abgesucht, eine Handvoll Kaugummi- und Schokoladenpapiere eingetütet, eine Plastikwasserflasche und eine eingedrückte Tabakdose. Ich wische mir den Schweiß von der Stirn, sehe mich um und versuche, mich in Marys Kopf zu versetzen. Keine fünf Meter von mir entfernt steht Tomasetti und sieht so aus, wie ich mich fühle: verschwitzt und entmutigt.
    »Sie hat gegen die Regeln verstoßen, dadurch, dass sie hierhergekommen ist«, sage ich. »Sie wollte bestimmt nicht gesehen werden.«
    »Und er sicher auch nicht – jedenfalls nicht mit ihr.« Tomasetti kommt zu mir. »Lass uns in dem Wäldchen nachsehen.«
    Wir gehen den Fußpfad zwischen den Bäumen entlang, die zwar Schatten bieten, dafür nehmen uns aber die Moskitos aufs Korn. Es ist kein offizieller, von der Stadt in Ordnung gehaltener Weg, sondern ein Trampelpfad, den ein Bauer ein oder zwei Mal im Jahr mit seinem Mulcher von Gestrüpp befreit.
    Wieder versuche ich, wie Mary zu denken. Sie war jung, amisch und hatte eine verbotene Affäre. Wo sind sie entlanggelaufen? Was haben sie berührt? Haben sie irgendetwas hinterlassen?
    »Sie haben eine Flasche Wein getrunken«, sage ich nach einer Weile. »Einmal hat er ihr etwas zum Mittagessen mitgebracht. Sie haben den Sternenhimmel betrachtet.«
    »Ein bisschen konkreter dürfte es schon sein«, brummt Tomasetti.
    »Wie zum Beispiel Initialen.«
    »Ein Haufen Bäume hier.«
    »Und die lieben Insekten.«
    Auf halbem Weg zum See finde ich eine einzelne Socke und werfe sie in meine Tüte. Vor mir kämpft Tomasetti mit den Moskitos. Ich muss lächeln. Beim Arbeiten reden wir nicht miteinander. Die einzigen Laute kommen von zwitschernden Sperlingen, dem kräftigen Flötenton eines Rotkardinals und dem gelegentlichen Ruf einer Baumwachtel. Begegnet sind wir noch niemandem. Zu dieser Jahreszeit ist hier um diese Tageszeit nicht viel los – die Kinder sind in der Schule, die meisten Erwachsenen arbeiten. Doch nach sechzehn Uhr werden die Grundschüler hier einfallen wie die Ameisen, und Teenager werden mit ihren frisierten Autos auf dem Schotterparkplatz stehen und den Nachmittag mit Zigarettenrauchen, Knutschen und Flirten verbringen. Später kommen dann die Väter und werfen ihre Angeln aus, um einen Barsch zu fangen. Doch wohin könnten dann Mary und ihr Liebhaber gegangen sein?
    Wir brauchen zwanzig Minuten für eine halbe Meile. Ich sehe mir jeden Baum entlang des Pfads an, doch die Initialen M.P. finde ich nicht. Am Ende öffnet sich das Wäldchen zu einem Erdwall hin. Ich habe insgesamt sechs Gegenstände eingetütet, doch vielversprechend ist keiner davon. Und die ganze Zeit über sagt mir mein Verstand, mit der Zeitverschwendung aufzuhören und zurück aufs Revier zu fahren, um an etwas zu arbeiten, das sich auch lohnt.
    Als ich den steilen Erdwall zum Wasser hinabgehe, schwitze ich ganz schön. Das nördliche Ende des Sees wird von einer großen Pappel und zwei riesigen Felsbrocken markiert, auf der Südseite hängt ein kaputter Anlegesteg ins Wasser, das im Westen flach und mit Entengrütze überzogen ist. Ungefähr acht Meter vom Ufer entfernt stehen zwei Baumstümpfe, die den Eisläufern im Winter als Bank dienen, um die Schlittschuhe zu schnüren. Dahinter wiegt sich das Kornfeld in einer leichten Brise.
    »Hast du als Teenager hier nackt gebadet?«
    Tomasetti kommt gerade die Böschung herunter,

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