Blutige Stille. Thriller
Schweißperlen im Gesicht und mit einem dicken Moskitostich auf der Wange. Aber der derangierte Zustand steht ihm gut – was mir eigentlich nicht auffallen dürfte.
»Kein Nacktbaden, aber viel Schlittschuhlaufen.«
»Ist es heute zum Baden heiß genug?«
»Das Wasser ist bestimmt zu kalt. Vor ein paar Nächten hatten wir schon den ersten Frost.« Ich lächele. »Ist das etwa eine Einladung zum Nacktbaden?«
Er grinst. »Das Wasser sieht ein bisschen zu grün aus.«
»Städter …«
»Wir könnten das mit dem Wasser vergessen und stattdessen nackt ins Kornfeld hüpfen.«
Ich lache.
Er auch, aber sein Blick sagt mir, dass das kein Scherz war.
Ich bräuchte nur zu nicken, und er würde sich auf mich stürzen. Eine Vorstellung, die mein Herz höher schlagen lässt.
Er blickt auf die Tüte, die ich an meinem Gürtel befestigt habe. »Irgendwas gefunden?«
»Eher nicht.«
Er hält seine hoch. »Ich habe einen Lego-SpongeBob und eine misshandelte Zehncentmünze.«
Mutlosigkeit überkommt mich, als wir uns auf den Weg zurück zum Erdwall machen. Der Abhang ist steil, und wir beide rutschen immer wieder ab. Als wir das Wäldchen erreichen, fallen die Moskitos über uns her wie Hyänen über ihre Beute. Ich werde mich duschen müssen, wenn wir zurück sind, doch dafür ist sicher keine Zeit.
Auf dem Rückweg schweift mein Blick nur noch mit halber Aufmerksamkeit über den Boden und die dickeren Bäume entlang des Pfads. Ich will so schnell es geht zum Revier, noch einmal die Namen der Autohalter ansehen und mit Barbereaux’ Freundin reden, seinem Alibi. Ich will eine DNA -Probe von James Payne. Und von Rob Lane auch.
Ich lege einen Gang zu. Der Pfad macht eine leichte Kurve und geht dann geradeaus weiter. Zwanzig Meter vor uns kommen der Parkplatz in Sicht, die Kühlerhaube des Tahoe und die verbeulte Leitplanke. Telefonmasten entlang der Straße. Wir treten aus dem Wäldchen ins helle Sonnenlicht, wo die Hitze mich trifft wie eine heiße Bratpfanne. Ich fühle mich ausgelaugt und schmutzig. Als ich über die Leitplanke steigen will, bemerke ich im Schatten des Pfostens eine Flasche.
Ich ziehe ein Papiertuch hervor, bücke mich und nehme sie in die Hand. Die untere Flaschenhälfte steckt in einem Korbg flecht, das Etikett ist halb abgelöst, fleckig und fast unlesbar. Doch beim Anblick des Wortes
Chianti
macht es
Klick
in meinem Kopf.
»Ich glaube, ich habe etwas gefunden«, höre ich mich sagen.
Tomasetti tritt neben mich und blickt auf die Flasche. »Wenn du Durst hast, lade ich dich liebend gern zu McNarie’s ein.«
»Vor ein paar Wochen haben Mary und ihr Liebhaber hier am Miller’s Pond eine Flasche Wein getrunken. Das hat sie in ihrem Tagebuch erwähnt. Ich muss es noch mal nachlesen, bin aber ziemlich sicher, das sie etwas über die Flasche geschrieben hat, und dass der Wein aus Italien war.«
Er sieht skeptisch aus. »Scheint mir nicht sehr aussichtsreich.«
»Es gibt nur ein Geschäft in der Stadt, das solche Weine führt«, erkläre ich ihm, »und zwar Hire’s Carry-Out. Im Tagebuch steht ein Datum. Wenn man sich dort an den Käufer erinnert, kriegen wir vielleicht einen Namen.«
»Ist einen Versuch wert.« Doch seine Begeisterung hält sich in Grenzen. Vielleicht weil es kein Verbrechen ist, hier oder sonst wo billigen Chianti zu trinken.
Trotzdem werde ich der Spur nachgehen und stecke die Flasche in die Tüte. Jetzt habe ich es noch eiliger, wie ein Bluthund, der eine Spur gerochen hat, wenn auch nur schwach.
Erst als wir im Wagen sitzen, Tomasetti den Motor angelassen und den Rückwärtsgang eingelegt hat, fragt er: »Und wie kommt man von hier zu Hire’s?«
***
Von unterwegs rufe ich T.J. an und bitte ihn, in Mary Planks Tagebuch auf meinem Schreibtisch nach einem Eintrag zu suchen, wo sie Wein erwähnt. Nach ein paar Minuten hat er ihn gefunden und liest ihn mir vor.
22. September.
Er ist an mein Fenster gekommen! Es darf eigentlich nicht sein, aber ich war so glücklich, ihn zu sehen. Ich habe mich weggeschlichen, und wir haben Wein gekauft. Dann sind wir zu Miller’s Pond gefahren. Wir haben die Sterne betrachtet, und er hat mir die erste Lektion über Wein gegeben. Der Wein war in einer hübschen kleinen Flasche und ist den ganzen weiten Weg von Italien hierhergekommen! Er ist so klug. Dann haben wir miteinander geschlafen. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn heiraten will. Dass ich Mamm und Datt von uns erzählen will. Er ist ein bisschen wütend geworden und hat gesagt,
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