Blutige Vergeltung
durch. Der Fundort lag ein gutes Stück vom Percoa Park entfernt, war aber eine genauso heruntergekommene Gegend mit Fabriken und einem Verschiebebahnhof.
Voller dunkler kleiner Löcher, in die sich Scurf so gerne verkriechen. Wenn sie sich tatsächlich schon so weit verbreitet hatten, steckten wir in gewaltigen Schwierigkeiten. „Keiner soll sich dem Tatort nähern. Wenn du schon Leute vor Ort hast, zieh sie sofort ab! Haltet Abstand und sperrt alles ab!“
„Wie weit?“ Ein guter Polizist stellt die Anweisungen eines Jägers nie infrage. Und Monty hatte sogar Michail noch gekannt und sich einmal die Lungen aus dem Leib geschrien, während er mir dabei zusah, wie ich einen Trader festgenommen habe, dessen Vertrag einen üblen Heißhunger auf Menschenfleisch beinhaltet hatte – am liebsten gedünstet, mit Knoblauch und Zwiebeln. Nun fehlte ein Stück in Montys rechter Pobacke, wahrscheinlich war das das einzige zarte Stück Fleisch an ihm gewesen.
Danach hat es nie mehr wieder Spitzfindigkeiten gegeben. Die meisten Cops sind klug genug, nach der üblichen Eingewöhnungsphase genau das zu tun, was ich ihnen sage. Nach einer Begegnung mit der Schattenseite versuchen die wenigsten noch, ihren Dickkopf durchzusetzen. Und so was spricht sich schnell herum, so oder so.
Ich weiß nicht, Monty. „Vergiss die Absperrung. Ich kann für die Sicherheit von niemandem garantieren, der sich dort jetzt rumtreibt. Pfeif alle zurück. Wenn der verschwundene Polizist noch am Leben ist, bringe ich ihn ins Mercy General Hospital.“ Zumindest, wenn er noch menschlich ist.
„Großer Gott, Jill.“ Er hörte sich verschreckt an. „Wie schlimm ist es?“
Das willst du nicht wissen, mein Kleiner. „Hey, es gibt nichts, womit ich nicht klarkommen würde“, log ich. „Bis später dann.“
„Jill …“
„Was denn, Monty?“ Die schrille Andeutung von Panik in meiner Stimme hätte man auch für Wut halten können. Immerhin war ich nicht gerade für meine gute Laune bekannt.
Trotzdem hakte er nach. „Die Witwe. Ist dir irgendwas aufgefallen, hast du irgendwas erreicht?“
Was erwartest du denn, ein Wunder? Aber diese Bemerkung verkniff ich mir besser – schließlich war es mein Job, Wunder zu vollbringen. „Noch nicht, Monty. Gib mir noch ein bisschen Zeit.“
„Jill …“
„Ich muss jetzt los, Monty. Sorg dafür, dass mir niemand in die Quere kommt, okay?“ Ich legte auf und warf dann noch eine Handvoll Kleingeld ein. Telefonzellen sind heutzutage richtig teuer, aber immer noch billiger, als sich ständig neue Handys zu besorgen – so oft, wie ich unter Beschuss oder unter Wasser geriet, man mit Messern auf mich einstach, mich mit Elektroschockern piesackte oder von irgendwelchen Gebäuden warf. Pager gehen nicht ganz so schlimm ins Geld, und sie halten in der Regel mehr aus.
Nachdem ich es sechsmal hatte klingeln lassen, ging der Anrufbeantworter ran – und rezitierte blechern die Nummer, die ich eben gewählt hatte. Ich wartete auf den Pfeifton.
„Leon, ich bins, Jill. Wir haben Scurf in der Stadt. Jede Verstärkung ist mir herzlich willkommen. Ruf mich an, heute Abend schaue ich bei mir zu Hause vorbei, um mich mit Munition einzudecken. Und ja, meine Knoblauchimpfung ist noch wirksam. Beeil dich!“ Die Nachricht war knapp, aber sie erfüllte ihren Zweck.
Als ich den Hörer auf die Gabel hängte, überkam mich das Verlangen, Saul anzurufen. Aber ich unterdrückte es und lief zum Auto.
7
Ich parkte hinter Winchells Streifenwagen an der Rosales Avenue. Das Auto war ordentlich am Bordstein abgestellt worden, die Reifen zeigten in Richtung Straße, und die Türen waren abgeschlossen. Der Schatten des Wagens fiel in messerscharfen Umrissen auf den Gehsteig. Es war bereits kurz nach Mittag.
Du hast nicht genug Zeit! Aber das war kein Grund, schlampig vorzugehen. Eine Weile blieb ich im Impala sitzen und lauschte dem Klicken des Motors, der langsam abkühlte. Vom Asphalt der Straße stieg flimmernde Hitze auf. In der trockenen Wüstenluft schwitzte ich kaum, und mein innerer Thermostat tat sein Übriges. Während der Ausbildung zum Jäger lernt man, wie man Energie einspart und vermeidet, vor Schweiß zu zerfließen, selbst wenn man in der Wüste Leder trägt. Durch die runtergelassenen Fenster roch ich Sand und den Fluss, heiße Steine und die Dämpfe von Betonschluchten und menschlichem Unrat.
Außerdem roch ich das eisenhaltige Aroma von Wasser aus dem Gartenschlauch und den scharfen Hauch von
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