Blutige Vergeltung
Gefühl im Magen.
Sonst sagte er immer Es gibt da was, das du dir mal ansehen solltest, Jill. Als könne er es selbst nicht glauben, dass er eine Frau, die nur halb so groß ist wie er, um Hilfe bittet.
Ach, zum Teufel. Schließlich hatte ich heute Nacht ja auch nichts Besseres zu tun – abgesehen davon, Galina zu besuchen und die Straßen nach streunenden Arkel und anderer Höllenbrut abzugrasen. Was den Trader anging, gab es keine nützlichen Hinweise zu verfolgen – der Dämon, der ihm die Fähigkeit verliehen hatte, Feuerkugeln zu werfen, war noch immer irgendwo da draußen, frei wie ein Vogel.
Aber egal. Ich würde ihn oder sie noch früh genug kriegen. Mit derartigen Spaßen kommt man nicht ungeschoren davon. Nicht, wenn Jill Kismet die Sache in die Hand nimmt!
Also schob ich mit dem Stiefel einen Berg Akten aus dem Weg und zog den einzigen freien Stuhl rüber zu Montys Schreibtisch. Ich setzte mich, stützte mich gegen die gerade Holzlehne und fixierte die Papierhaufen. „Schieß los.“
Er öffnete eine Schublade und zauberte eine Flasche Jack Daniels hervor. Bernsteinfarbener Alkohol leuchtete im Licht der Neonröhren.
Oh, oh. Ich beugte mich vor, fasste nach der Flasche und drehte den Verschluss auf. „Ein Fall? Einer von meinen?“ Und wenn es so ist, warum hast du nicht schon früher was gesagt? Du kennst die Regeln, Monty. Du bist doch kein Anfänger mehr.
„Ich bin mir nicht sicher.“ Während ich mir den ersten Schluck genehmigte, kramte er in einer weiteren Schublade herum. Der Whiskey brannte und erinnerte mich daran, dass ich heute noch nichts gegessen hatte.
Und wo wir schon dabei waren, soweit ich wusste, hatte ich auch gestern nichts gefuttert. Wenn man erst einmal loslegt, ist es schwer, eine Pause zu machen.
Und Saul war fort.
„Warum rückst du nicht einfach mit der Sprache raus, Monty? Diese Heimlichtuerei nervt langsam.“
„Dabei müsste gerade dir so was doch gefallen.“ In seiner Stimme lag der Anflug von Ironie.
Seufzend rollte ich übertrieben mit den Augen – ganz wie ein Teenager, wofür ich ein verdrießliches Lächeln erntete. Wir hatten beide unsere Jugendzeit schon ein oder zwei Jahrzehnte hinter uns gelassen – oder drei. Vermutlich erinnerte sich Monty noch nicht einmal mehr an seine Sturm-und-Drang-Phase, und auch ich verspürte keinerlei Sehnsucht danach, meine auch nur ein einziges Mal Revue passieren zu lassen. „Jetzt mach schon. Ich hab heute Nacht noch anderen Kram zu erledigen.“ Oder heute Morgen, wenn man’s genau nimmt.
„Dauernd bist du in so einer Scheißeile.“ Er hatte einen Ordner in den Händen, eine braune Pappmappe mit Eselsohren, die mit einem Gummiband zusammengehalten wurde.
„Dämonen machen eben keinen Urlaub.“ Falls sie’s doch mal tun sollten, bin ich die Erste, die eine Party schmeißt! Noch immer konnte ich den Rauch riechen, der von meinen Klamotten und meiner Haut aufstieg … . Allerdings keine Grillparty. „Also, worum geht es?“
„Marvin Kutchner.“ Monty hielt seine Mappe hoch. „Polizist. Hat sich vor ungefähr zwei Monaten eine Kugel in den Kopf gejagt.“
„Ist er zurückgekommen?“ In meinem Job kann man das nie ausschließen. Man kommt nicht an mir vorbei, wenn man sich mit der Schattenseite in Santa Luz anlegt – na ja, oder sonst wo in meinem Revier, das sich von Ridgefield bis zu den südlichen Ausläufern von Santa Luz erstreckt; außerdem teile ich mir die südlichen Vororte mit Leon Budge aus Viejarosas. Solltest du den Dingen zum Opfer fallen, die die Nacht unsicher machen, werde ich dich rächen.
Und falls du wiederkehrst, sorge ich dafür, dass du Frieden findest. Auf ewig.
Monty schüttelte den Kopf. „Er wurde draußen auf dem Estrada beerdigt. Seither hat man nichts von ihm gesehen.“
Das ist doch immerhin etwas. Ich beäugte den Ordner. „Wo liegt dann das Problem?“
„Ich will, dass du den Fall übernimmst.“
„Den Selbstmord eines Polizisten? Also, bei allein Respekt, Monty, aber …“
„Er war mein Partner, früher.“ Seine rauchfarbenen Augen blickten trüb ins Leere, und seine Mundwinkel schoben sich nach unten.
Das Tablettenfläschchen auf seinem Tisch war noch verschlossen, und der Whiskey war noch fast voll. Monty hatte sich offenbar auf eine Belagerung eingestellt.
Lange musterte ich ihn eindringlich. Was verschweigst du mir? „Gibt es denn einen Verdacht, dass es Mord gewesen sein könnte?“
„Etwas an der Sache gefällt mir nicht, Kismet. Ich weiß
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