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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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fühlst, mein Mädchen.«
    Die Tür schloss sich hinter ihm. »Sagt, Jungfer«, fragte der Reiter, »wird es wirklich für alle reichen? Wo nicht, kann ich mich leicht mit einem Stück Brot begnügen – und einem Becher von Eurem guten Bier.«
    Er hatte sich zu seinem Mantelsack niedergebeugt, ihn aufgeschnallt und einen kleinen irdenen Napf herausgenommen, dazu einen Zinnlöffel und einen Becher aus dem gleichen Metall. Anna Elisabeth hatte ihm zugesehen. Auf seine Frage nickte sie zuerst. Dann verzog sie spöttisch den Mund. »Ich sehe«, sagte sie, »Ihr seid auch, was Eure Ausstattung betrifft, durch und durch ein rechter Herr.«
    »Heißt das, ich kann etwas von Eurem Pilzgericht für michbeanspruchen?« Er hatte ihre Bemerkung anscheinend überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, sondern rieb seinen Becher am Ärmel ab und prüfte, ob er sauber war.
    »Ganz recht«, erwiderte Anna Elisabeth, »und sogar ein Stück Brot dazu – wie auch einen Schluck Bier.« Sie hielt einen Augenblick inne. »Oder erwartet Ihr etwa Wein?«
    Er hob den Kopf und sah sie erfreut an. »Ihr habt Wein in Eurem Keller? Das hätte ich mir kaum träumen lassen!«
    Anna Elisabeth schüttelte den Kopf – nicht verneinend, sondern ungläubig. »Wie könnt Ihr so etwas ernsthaft annehmen?«, fragte sie.
    »Aber ...« Einen Wimpernschlag lang begriff der Reiter nicht. Dann kam ihm die Erleuchtung. »Um Vergebung«, murmelte er, »ich bin müde von der langen Reise. Da vergeht einem das Denken, und der Verstand schläft ein.« Er hielt ihr den Napf hin. »Nur ein wenig, wenn ich bitten darf. Auch ich will nicht, dass die Kinder hungern.«
    Wortlos füllte Anna Elisabeth ihm seine Schüssel, schnitt eine dicke Scheibe für ihn von dem Brotlaib ab, den sie aus dem Vorratskasten genommen hatte, und füllte seinen Becher mit Bier. Während er sich zum Essen auf den Herdrand setzte, nahm sie bei ihrem Vater, dem armen Matthias und den Kindern am Tisch Platz, wo alle gemeinsam mit Holzlöffeln aus der Pfanne aßen. Gesprochen wurde nicht. Niemandem stand der Sinn danach.
    Als alles aufgezehrt war, wandte sich Anna Elisabeth an ihren Vater. »Die Kinder sollten über Nacht bei uns bleiben«, bestimmte sie. »Hier haben sie es warm, wenn der Michel ihnen neben dem Herd eine Strohschütte bereitet, und der Gast könnte ja auf der Bank schlafen.« Sie warf dem Reiter einen Seitenblick zu. »Falls ihm der Heuschober nicht bequem genug ist...«
    »Ein Platz im Stall bei meinem Pferd reicht mir vollkommenzum Nachtlager«, sagte der Reiter. »Und mit Verlaub, Jungfer Anna – das Pilzgericht, das Ihr zubereitet habt, war von überaus köstlichem Wohlgeschmack. Ich danke Euch sehr dafür.«
    Sie fühlte sich gemaßregelt. Doch seine Worte boten ihr keinen Anhaltspunkt zu einer bissigen Erwiderung. »Bitte«, sagte sie steif und drehte ihm den Rücken zu.
    Ihr Vater nickte und nahm dann Matthias beim Arm. »Du wirst sicher auch nicht wollen, dass deine Kleinen diese Nacht bei dir daheim ...?«, begann er zögernd.
    »Nein, nein.« Matthias zitterte von neuem. »Ich wollte dich und deine Tochter selbst darum bitten, die Kinder heut bei dir aufzunehmen. Was gescheh’n ist, bekommen sie noch früh genug zu spüren ...« Er stand auf. »Dank dir, Joseph, für deine Güte. Gott vergelt’s dir tausendfach ...«
    »Lass gut sein und komm nun«, sagte der Hausvater. »Die anderen werden schon warten. Wir wollen deine Barbara und deine beiden anderen Lieben nicht länger als nötig unversorgt lassen. Der Pfarrer war doch sicherlich schon da?«
    Matthias wischte sich über die Augen. »Nein«, antwortete er. Seine Stimme klang erstickt. »Der Pfaffe sagte, weil ich nicht bezahlen kann, kommt er auch nicht zum Versehen.«
    »Was?« Der Hausvater richtete sich steil auf. »Wann war das?«
    »Heute morgen – als es mit der Barbara zu Ende ging ...«
    »Heißt das, dein Weib ist ohne Beichte hinübergegangen?«
    Matthias nickte bekümmert. »Aber mit mir hat sie noch gebetet«, flüsterte er. »Martinus Luther sagt, jeder aufrechte Christ kann unserm Herrgott seine Sünden selbst vortragen, und es braucht keinen Priester, damit Gott uns vergibt ...«
    »Und damit hat der Doktor Luther Recht«, sagte der Reiter. »Nirgendwo steht geschrieben, dass zur Vergebung der Sünden ein Priester nötig ist.« Er erhob sich vom Herdrand und kam langsam an den Tisch. »Seid ohne Furcht, guter Mann«, spracher Matthias direkt an, »Eure Verstorbenen sind in Gottes Hand – auch ohne

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