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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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gepflastert war, stieg feuchteKälte auf. Überhaupt war es empfindlich kühl hier – daran konnten auch die verblichenen Bildteppiche, mit denen zwei der vier Wände behangen waren, kaum etwas ändern.
    Ein mächtiger Tisch mit gedrechselten Beinen war das einzige Möbel. Darauf stand ein zinnener Halter mit einer zur Hälfte abgebrannten Wachskerze. In dem eisernen Radleuchter, der an einer Kette von der Decke hing, steckten keine Kerzen.
    Das Türchen in der Wand öffnete sich wieder. Heraus trat eilfertig eine alte Frau mit weißleinenem Kopftuch und lief mit ausgebreiteten Armen auf den Reiter zu. »Albrecht«, rief sie freudig, »mein lieber Junge – endlich!«
    »Magdalene.« Der Reiter schenkte ihr ein Lächeln, doch es blieb nicht lange auf seinem Gesicht. »Sag, Magdalene – was ist hier geschehen? Du wirst mir Auskunft geben.«
    Die alte Frau wurde ernst. Ihr Gesicht, von unzähligen Fältchen zerknittert, drückte plötzlich tiefe Besorgnis aus. Ihr ohnehin schon schmaler Mund wurde zu einem dünnen Strich. »Wisst, Albrecht«, sagte sie, »unser gnädiger Herr, dein Vater, ist vom Arm des Herrn niedergestreckt worden. Der Zorn Gottes hat ihn getroffen – wie ich es ihm schon so oft vorhergesagt hatte. Und da er –«
    »Du redest um den heißen Brei herum«, unterbrach der Reiter sie unwillig. »Ein letztes Mal – was ist während meiner Abwesenheit auf Weißenstein vorgefallen?«
    Die Alte schob sich mit zittriger Hand eine weiße Haarsträhne zurück unter das Kopftuch. »Nun«, begann sie zögernd, »sie sind ausgeritten, unser gnädiger Herr und die Männer. Sie hatten vor, die Straße nach Heilbronn ... zu bewachen ...«
    »Wie sie das gemeinhin tun«, fuhr ihr der Reiter in die Rede. »Das Wichtige, Magdalene. Das Wichtige sollst du erzählen!«
    »Hört also«, sagte die alte Frau bekümmert, »Euer Vater liegt danieder – drei Tage schon hat er sich nicht mehr erheben können, jedwede Bewegung fällt ihm schwer. Er wartet auf Euch,mein Albrecht...« Sie hob den Blick und suchte seine Augen, »er hat sogar nach Euch gefragt.«
    Der Reiter runzelte die Brauen. Die Alte hatte abrupt das vertrauliche Du mit dem ehrerbietigen Ihr vertauscht. »Das ist allerdings sonderbar«, murmelte er und wandte sich der Treppe zu, die vom hinteren Teil der Halle in die oberen Geschosse des Palas führte. »Bring mich zu ihm, Magdalene. Jetzt gleich.«
    Diese Forderung duldete keinen Widerspruch. Die alte Frau raffte ihr grauwollenes Kleid und beeilte sich, dem Reiter nachzulaufen. »Seid bereit, Albrecht«, murmelte sie, »für einen Anblick, den Euer Vater in seinem Leben noch nie geboten hat ... Wappnet Euch vor allem gegen seine üble Laune!«
    Der Reiter hatte die ersten Stufen bereits genommen und drehte sich halb zu ihr um. »Also ist er doch immer noch der Alte«, erwiderte er wenig beeindruckt, »und mit seiner Krankheit kann es so schlimm nicht sein.«
    Sie gab keine Antwort. Er hörte sie schwer atmen, während sie sich mühsam hinter ihm die Stufen hinaufarbeitete. Als das erste Geschoss erreicht war, wollte sie sich an ihm vorbeischieben. »Lasst mich erst sehen, ob er schläft«, sagte sie mit unterdrückter Stimme, »und wenn das so ist, sollten wir ihn in Frieden lassen – er hat eine sehr unruhige Nacht hinter sich.«
    »Unsinn«, sagte der Reiter unwirsch, »eher wird er wütend werden, wenn er später erfährt, dass ich nicht gleich nach meiner Ankunft an seinem Krankenlager erschienen bin und ihn geweckt habe.« Er sah sich um. Vom Treppenabsatz war ein Korridor mit altersschwarzer Balkendecke zu erkennen. Seine grün gestrichenen Wände, durchbrochen von mehreren Türen aus dunkel glänzendem Eichenholz, zeigten ebenfalls Altersspuren, die sich in abblätternden Farbpartien äußerten. Der Reiter näherte sich der ersten Tür und klinkte sie auf. Sie öffnete sich mit einem Knirschen.
    Das dahinter liegende Zimmer war ohne Möbel – bis auf einmächtiges Bett, dessen von vier gedrehten Säulen getragener Baldachin fadenscheinige Vorhänge aus verschossenem rotem Damast aufwies. Sie waren offen und gewährten den Blick auf dicke weiße Kissen und eine mit Wolfspelz gefütterte Decke, unter denen eine hagere Greisengestalt ruhte. Der alte Mann hatte langes, schlohweißes Haar, das wirr um Gesicht und Schultern ausgebreitet lag. Seine Augen waren geschlossen, doch er öffnete sie ruckartig in dem Moment, als der Reiter ins Zimmer trat.
    »Das wurde Zeit«, knurrte er.
    »Grüß Euch Gott,

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